Erzählung der Wunder des großen heiligen und geehrten Märtyrers und Wundertäters Artemios

Einleitung

Ganz wie einer, der in einen Garten eintritt und zu seiner Freude die Gestalt vieler fruchtbarer Bäume betrachtet, die farbenfrohen Blüten verschiedener Blumen zu unersättlichem Wohlduft, und alles ihm lobenswert erscheint, der dann, von dort weggegangen, an einen anderen Ort gelangt und innig begehrt, die Schau des Vortrefflichen seinen Nächsten zu verkünden, es ihm wohl glückte – auch wenn er nicht die Erinnerung an alles besitzt – all das auszusprechen, was er durch Nachdenken zusammenzutragen vermag, indem er von dem Wenigen wirklich alles zu erzählen versuchte, so etwas ist auch uns nun zugestoßen. Denn von den vielen Wundern des heiligen Märtyrers und nur zu sehr bewunderungswürdigen Wundern, von denen uns einige durch eigenes Zuschauen bekannt sind, andere mündlich überliefert wurden, eine Erzählung aufzuschreiben ist unser Wunsch, doch sind wir im Zweifel – und sehr zurecht – durch die Erinnerung an alle gleichermaßen zu gelangen, weil sie in ihrer Vielzahl unbegrenzt sind. Doch wenigstens all das, was wir von dem zusammentragen konnten, was in unserer Generation vollbracht wurde, dieses denen, die Christus lieben, zu verkünden begehren wir, damit unter ihnen der wunderbare Gott geehrt werde in seinen Heiligen[1], der durch seine vielfältige Gnade verherrlicht und solche Macht und Fähigkeit dem, der ihm dient, gewährt. Denn er selbst ist es, der alles in allen bewirkt. Da wir nun bis zu diesem Punkt gekommen sind, müssen wir irgendwie mit dem Versprochenen beginnen.

Wunder 1 (Der Sohn des Arztes)

Ein Oberarzt mit Namen Anthimos hatte einen Sohn von etwa 20 Jahren, der erkrankte gefährlich an seinen Hoden, so dass er keine Kraft hatte, sich selbständig fortzubewegen. Der Vater hebt ihn auf und trägt ihn in das Heiligtum des Johannes Prodromos – dort liegen jetzt die vielgeehrten Reliquien des heiligen und berühmten Artemios – und er tut[2], was alle gewohnt sind zu tun, die an derselben Krankheit leiden. Eines Nachts nun erscheint dem Sohn im Traum der heilige Märtyrer in der Gestalt seines Vaters Anthimos und sagt zu ihm: „Komm, ich will sehen was du hast“. Er entkleidete sich und zeigte es ihm, und kaum hatte er das getan, hielt Artemios seine Hoden fest und drückte sie so stark, dass er von dem Schmerz erwachte und aufschrie, noch benommen von der Furcht vor dem Traumgesicht. Als er in Furcht und in der Meinung, noch schlimmer zu leiden, die Stelle berührte, fand er sich selbst beschwerdefrei und seine Hoden gesund wiederhergestellt.

Wunder 2 (Dreifaches Leid)

Ein Mann von etwa 45 Jahren, der seinen Wohnsitz am Golf hatte[3], litt so stark an den Beinen, dass er vor Schmerzen nicht mehr schlafen konnte. Dieser schleppte sich zu dem heiligen Märtyrer. Es passierte ihm nun – wie es nach rechten Dingen zuzugehen beliebt – dass er in Schlaf sank, und im Traum sah er sich mit seiner Frau das Lager teilen. Darauf bemerkte er an sich selbst, dass er drei angeschwollene Hoden besaß, und sagte zu ihr in eben jenem Traum: „Weh, liebe Frau, ich bin an den Hoden, an denen ich leide, nicht gesund geworden, sondern mir wurde sogar noch ein weiterer hinzugefügt, und der ist selbst so krank, dass ich nun drei Hodenbrüche[4] habe.“ Als er nun in dem Traum verzweifelt und voll Angst war, erschien ihm der Heilige in Gestalt eines Arztes und sagte zu ihm: „Was, sagst du, hast du, Bruder?“ Er aber sprach zu ihm: „Es reicht mir Unglücklichem nicht, dass ich an den Hoden, an denen ich leide, nicht geheilt bin, sondern mir ist sogar noch ein dritter hinzugefügt worden, und jetzt habe ich drei Hodenbrüche.“ Er aber sprach zu ihm: „Entkleide dich, damit ich dich sehe, Bruder!“ Und nachdem der Mann der Aufforderung nachgekommen war, hielt Artemios seine Hoden fest und drückte sie so stark, dass er im Traum in heftigen Schmerzen eine ganze Zeit lang „Herr, erbarme dich!“ schrie, und die auf ihre Heilung Harrenden von dem Geschrei aufgeweckt wurden. Sie traten hinzu, richteten ihn auf und fragten: „Was hast du und schreist und läßt uns nicht ruhen?“ Er aber erwachte und betastete sich, weil er gerade noch von Schmerz gepeinigt war, fand sich gesund und rühmte Gott und erzählte ihnen die Erscheinung und die Wundertat des Märtyrers.

Wunder 3 (Im Wachen geheilt)

Einer aus dem Land Amastris hielt sich in der gesegneten und königlichen Stadt auf.[5] Dieser hatte zufällig eine Schwellung an den Hoden, so dass er zu vielen Ärzten ging, die ihm jedoch keinen Nutzen brachten, sondern sein Leiden verschlimmerten. Von jemandem begleitet, begab er sich zu dem Heiligen und Wundertäter. Nachdem er nun drei Tage dort ausgeharrt hatte und immer mehr von Schmerzen bedrängt wurde, trug er die Bitte um Hilfe an die Eingeweihten des Heiligtums heran und flehte, dass man ihm von der Wachssalbe des Prodromos und des Märtyrers gebe. Als er sie erhalten und ein Pflaster damit bestrichen hatte, gab er es auf die Stelle, wo er Schmerzen hatte. Das war etwa zur vierten Stunde, zu Mittag aber stand vor ihm der heilige Diener Gottes und nachdem er ihn dazu gebracht hatte, sich zu betasten, setzte er ihm einen Schnitt mit dem Skalpell. Und sofort als die Schwellung zerbarst, erfüllte sich das ganze heilige Gebäude mit üblem Gestank, so dass selbst die anwesenden Zuschauer, die der Wundertat des Märtyrers mit ihren Augen zugesehen hatten[6] und den Gestank nicht mehr ertragen konnten, warmes Wasser und Schwämme herbeitrugen und mit eigenen Händen die blutige Flüssigkeit aus der Wunde aufwischten. Als einige von ihnen ihm nun bedeuteten, er möge sich im Hospital niederlegen[7], ließ er es sich nicht gefallen, sondern schickte sie alle fort mit den Worten: „Ich werde denen hier nicht ausweichen, sondern dieses Pflaster hier verwenden mit der Salbe des Heiligen.“ Nachdem er dies getan hatte, stand er gesund auf und ging fort, Gott rühmend, der ihn durch seinen heiligen Märtyrer geheilt hatte.

Wunder 4 (Fernheilung durch Lampenöl)

Ein anderer Mann, der Herkunft nach Afrikaner, der auch in Afrika selbst wohnte, besaß einen einziggeborenen Sohn, der gefährlich an den Hoden litt. Und obwohl er viel Geld für Ärzte aufwandte, konnte er dem Kind nicht helfen. Ihm, der nun gänzlich in Furcht und Verlegenheit war, sagten durch Zufall einige, die selbst die Wirksamkeit des Märtyrers erprobt hatten, dass er, wenn es ihm möglich wäre, nach Konstantinopel zu dem heiligen Artemios zu reisen, umgehend geheilt würde. Er aber, kaum hatte er dies vernommen, schrieb den Ort gewissenhaft auf ein Blatt Papyrus, genau notierend wie sie es ihm diktierten: „zu der Kirche des heiligen Johannes des Täufers, in dem Stadtteil Oxeia, nahe den Kolonnaden des Domninos.“[8] Er segelte nun von Afrika fort und begab sich in die gesegnete Stadt – den kranken Sohn ließ er in Afrika zurück – und nachdem er in das Heiligtum des Johannes Prodromos eingetreten war, stellte er gemäß der vorherrschenden Sitte eine Votivlampe[9] im Namen seines Sohnes aus Wein und Öl her. Und dieses tat er, solange er dort weilte, ununterbrochen.[10] Als die Zeit gekommen war, wieder abzusegeln, warf er die abgebrannten Reste der Lampe in eine gläserne Kanne und nahm sie mit nach Afrika. Als er sich dann beeilte, seinen Sohn mit dem Segen zu salben, sieht er ihn gesund. Da erkundigte er sich bei seinen Hausangestellte, ob sie wüssten, wann er gesund geworden sei, und fand aus dem, was sie ihm angaben, heraus, dass ihm der Heilungsbesuch durch den heiligen Märtyrer an eben dem Tag und zu der Stunde geschehen war, da er die Votivlampe hergestellt hatte, und er pries den Herrn und freute sich an der Genesung seines Kindes.

Wunder 5 (Der verzweifelte Händler)

Ein Mann mit Namen Euporos, der Herkunft nach von Chios, ein Händler, der seit äußerst langer Zeit leidend war und maßlose Schmerzen hatte, hörte von dem heiligen Märtyrer, als er sich einmal in der gesegneten Stadt aufhielt und gerade nichts zu tun hatte. Er ging dorthin und harrte etwa drei Monate lang bei ihm aus. Als nun für ihn die Zeit gekommen war, wieder von hier davon zu segeln, und die Seeleute schon drängten, reiste er unverrichteter Dinge mit dem Schiff zurück, mit dem er gekommen war, ganz verstört in der Seele. Da blies gemäß göttlicher Vorsehung ein entgegengesetzter Wind und trieb das besagte Schiff in den „Siebenten Bezirk“ (Hebdomon), in den Magnaura genannten Hafen.[11] In Trauer über die fehlgeschlagene Heilung sah er in jener Nacht im Traum den Heiligen, der zu ihm sagte: „Was hast du? Warum bist du betrübt und bedrückt und voller Furcht?“ Er aber weinte und seufzte aus tiefem Herzen und antwortete ihm: „Ich leide an meinen Hoden, und obwohl ich in der Kirche des heiligen Johannes des Täufers ausgeharrt habe in der Oxeia, nahe dem heiligen Artemios, sind mir doch meine Sünden zum Hindernis geworden, gesund zu werden.“ Und der heilige Märtyrer spricht zu ihm: „Heb deine Kleider an, komm, ich will dich sehen!“ Und nachdem er sein Gewand ausgezogen hatte, berührte Artemios seine Hoden. Erwacht und den Traum in sich deutend, glaubte er aber, es sei Phantasie, riss sich selbst zusammen und sagte sich, der Vorfall sei ein Traumgesicht gewesen und nicht wahr. Als er sich später betastete, entdeckte er, dass er gesund war. Nun ergriff er umgehend was er an Verpflegung und als Opfergabe brauchte und verließ das Schiff, um sich auf den Weg zu dem Heiligen zu machen. Einige der Seeleute hinderten ihn am Aufbruch, weil sie das Geheimnis des Wunders und den Grund seines Aufbruchs nicht kannten, und sagten: „Wohin gehst du? Sobald der Wind weht, werden wir auslaufen und du bleibst draußen!“ Er aber sagt: „Reist mit meinem Segen ab, haltet mich nicht auf!“ Und er ließ sie zurück und ging in das Heiligtum des heiligen Johannes, wo der Heilige liegt, und er dankte Gott. Und als er wieder zurückkehrte, fand er das Schiff noch vor Anker, in welchem er nach Hause segelte und allen dort die Größe Gottes verkündete.

Wunder 6 (Der besessene Isidoros)

Es liegt einige Zeit zurück, da kam ein Seemann mit einer gefährlichen Erkrankung seiner Hoden zu dem heiligen Märtyrer. Sein Name war Isidoros und er war etwa 53 Jahre alt. Er wusste jedoch nicht, dass er auch von einem bösen Geist befallen war. In dem linken Seitenschiff nun, wo der Heilige wie in einem Hospital seinen Rundgang zu machen pflegte, wovon viele durch häufige Erprobung mit Gewissheit erfüllt sind, kommt also, den Augen sichtbar, der Heilige in einer Nacht auch zu ihm, während von denen, die auf ihre Heilung warten, viele zuschauen, eben dort, wo der Besessene selbst daniederliegt. Der Heilige stand nun, wie gesagt, über ihm mit einer unsichtbaren Macht; Isidoros aber erhob sich von dem Lager und eilte der Erscheinung entgegen, er hielt die ausgestreckten Hände in die Höhe und hing herab wie einer, der an den Händen mit Ketten festgebunden ist, eine Elle von der Erde entfernt, und schrie gewaltig, so dass alle von dem Anblick erschreckt wurden und sich aus Furcht verbargen. Nachdem er nun über mehrere Stunden mit Schaum am Mund gehangen hatte, schrie er endlich mit lauter Stimme auf und fiel auf seine Matte am Boden.
Als er zur Ruhe gekommen ist und sein eigentliches Bewußtsein wiedererlangt hat, sagen die Anwesenden zu ihm: „Bruder, was ist dir passiert?“ Er sagt zu ihnen: „Weh mir, was ich erlitten habe! Jemand, der einen Mantel und einen Gürtel trug, hängte mich mit zwei Ketten auf.“ Sie sagen zu ihm: „Wir haben dich alle gesehen, als du hingest. Aber sag uns, was er dir getan hat.“ Er sagt zu ihnen: „Ich habe vielfältige Strafe erlitten. Denn er fasste mit seiner rechten Hand an meinen Bauch, mit der linken aber an die Schulterblätter; und als drittes quetschte er mich und sagte: ‚Der Vater und der Sohn und der heilige Geist, die heilige Dreifaltigkeit, befiehlt dir, herauszukommen!’, und ich sah, wie eine ganz schwarze Krähe aus meinem Mund herauskam. Er aber zeichnete das ehrwürdige Kreuzzeichen auf meine Stirn und löste mich von den Fesseln, und ich fiel. Aber lasst mich auch meine Genitalien ansehen, ob sie nicht durch die Erschütterung des Sturzes einen Schaden erlitten haben.“ Und nachdem er sich in Anwesenheit aller betastet hatte, fand er sich gesund, und darüber lobten alle Gott, der durch seinen Märtyrer das Unglaubliche wirkt. Und während Isidoros noch mehrere Tage an dem Ort verweilte, erschien ihm wieder der Heilige und mit sich hatte er jemanden wie einen Arbeiter, der eine Art Schaffell trug und Sandalen, und ein Frau war bei ihnen in Gestalt einer Nonne[12], und sie sagen zu ihm: „Preise Gott! Sieh, du bist gesund geworden. Geh fort in dein Land zu den Deinen, denn sie haben viel Kummer deinetwegen, glauben sie doch, du seiest gestorben. Also auf! Geh! Erfreue sie mit deiner Anwesenheit und deiner Gesundheit!“

Wunder 7 (Der wettfreudige Platon)

Ein junger Mann namens Platon, der sich im Vertrauen auf seine eigene Jugend, wie es die jungen Leute gern tun, in der Qualität seiner Stärke messen wollte, schloss die Wette ab, dass er den Stein von der Waage eines Holzhändlers hochheben und auf seine Schulter legen werde. Nachdem die Belohnung festgesetzt war, lockerte er den Stein, und als er ihn mit Gewalt auf seine Schulter legte, wurde sein ganzes Inneres in einen Bruch gedrückt, so dass die, die es sahen, von dem Anblick erschraken. Einige gutgesinnte Leute rieten ihm: „Liefere dich nicht einem Arzt aus, sondern geh zur Kirche Sankt Johannes, in den Stadtteil Oxeia und begib dich zum heiligen Artemios, und er selbst wird dich heilen. Denn er wirkt jeden Tag in solchen Dingen Wundertaten.“ Einige hoben ihn auf und brachten ihn auf einer Trage fort, denn er schwebte in Lebensgefahr. Nachdem er einige Tage durchgestanden hat und während er unter unerträglichen Schmerzen leidet, sieht er den heiligen Artemios, wie er im Traum zu ihm spricht: „Warum bist du so wettfreudig?[13] Sieh, sowohl deiner Seele als auch deinem Körper hast du Schaden zugefügt.“ Platon versprach ihm, nie wieder Wetten abzuschließen und als er dies gesagt hatte, trat ihn der Heilige in seinen Bauch. Der Wettfreund aber erwachte und war sowohl vom Schmerz als auch von der Krankheit befreit. Nachdem er dafür Gott und dem Märtyrer gedankt hatte, ging er voll Freude zu den Seinen zurück. Als nun alle, die von seinem Unglück gewusst hatten, ihn gesund wieder aufgerichtet sahen, rühmten sie Gott, der sein Erbarmen mit ihm beschleunigt hatte.

Wunder 8 (Die Heilung des Schwätzers)

Ein anderer Mann namens Georgios, der Herkunft nach Phrygier, der stark geschwollene Hoden hatte und das Äußerste an Schmerzen litt, harrte ausdauernd auf seine Heilung durch den heiligen Märtyrer. Dieser war nun aber einer, der viel redete; niemals ruhte sein Mund, weder des Nachts, noch am Tag. Schließlich ließ er nicht einmal zu, dass jemand ruhte, und sogar als alle ihn tadelten, schwieg er nicht. Da erscheint ihm der Heilige in den frühen Morgenstunden und sagt: „Sobald es Tag geworden ist, begib dich fort von hier. Denn wenn du nur einen Augenblick länger bleibst, werde ich dir deinen Hodenbruch verdoppeln. Ich hasse nämlich Schwätzer.“ Als er zeitig in der Früh aufstand, bemerkte er, dass er gesund war, und wie es ihm von dem heiligen Märtyrer gesagt worden war, so tat er auch und verweilte nicht, sondern ging voll Freude davon und lobte Gott.

Wunder 9 (Fast verzweifelt und doch geheilt) 

Ein Rhodier mit Namen Theodoros, der auf Rhodos selbst seinen Wohnsitz hatte, erkrankte an einem Hodenbruch. Als er von dem heiligen Märtyrer und Wundertäter Artemios hörte und von der ihm von Gott her gegebenen Gnade, reiste er zu einem Aufenthalt in die gesegnete Stadt, und nachdem er eine Zeit lang ausgeharrt hatte, fiel er in Niedergeschlagenheit, weil er die Krankheit sich immer mehr einnisten sah, er von Sorge um seine Angelegenheiten zu Hause bedrängt wurde, die Heilung nicht erlangte und ihm das für die Ernährung Nötige fehlte. Und so ermattet, entstand der Wunsch, von dort abzusegeln. Als er im Begriff war, in See zu stechen, reiste (einer)[14] von hier ab. An eben jenem Tag aber, als er seine Heimatstadt betrat, sah er in jener Nacht den Heiler Gottes, der seinen Puls fühlte und ihm das Kreuzzeichen gab, und als er erwachte, fand er sich gesund.

Wunder 10 (Der kleine Sohn des Akakios bittet um seine Heilung)

Ein Münzhändler mit Namen Akakios hatte ein Sohn von etwa sieben Jahren, der durch einen bösartigen Dämon von derselben Krankheit befallen war. Diesen brachten die Eltern zu dem allheiligen und gerühmten Märtyrer Christi. Nachdem sie einige Zeit in der Kirche des Heiligen Johannes verbracht haben und so, am Tag des heiligen Sabbat, das Ende der Fastenzeit erreicht ist, heben sie, weil sie die heilige Auferstehung mit den Ihren zusammen feiern wollen, ihre Schlaffmatten auf und machen sich auf den Heimweg. Die Mutter aber, die ununterbrochen mit ihm war, flehte unter Tränen den Märtyrer an, da sie am meisten in der Seele litt. Es ist aber auch angemessen, die unartikulierten Laute und Stammeleien dieses Kindes zu hören, welche zwar für den Moment großes Gelächter hervorrufen, an denen, die nachdenken aber, tiefes Mitgefühl sichtbar machen. Denn so wie er den eigenen Vater von Angesicht zu Angesicht bittend anflehte, sagte er freimütig zu dem heiligen Märtyrer: „Heiliger Artemios, nimm meinen Bruch weg!“ Nachdem durch das Kind und seine Mutter so gehandelt worden war und die Auferstehung unseres Herrn und Gottes, Jesu Christi, angebrochen war, da erscheint der Frau der Heilige im Traum, zu Hause, wo sie sich gerade aufhielten, und sagt zu ihr: „Bring mir deinen Sohn!“ Sie, im Glauben, ihn aufzuheben, legte seinen Kopf voller Freude zu den Füßen des Märtyrers nieder. Artemios, nachdem er sein Kinn berührt hatte, richtete sich aus der gebückten Haltung wieder auf und sagt zu ihm: „Möchtest du, dass ich deinen Bruch wegnehme?“ Und das Kind antwortete ihm: „Ja, Herr, nimm meinen Bruch weg!“ Da versah der Heilige es an seinem ganzen Körper mit dem verehrten Kreuzzeichen und sagte: „Sieh, von jetzt an hast du den Bruch nicht mehr!“ Solches sah die Frau im Traum, und als sie erwachte, fand sie den Sohn, genau wie sie es geschaut hatte, gesund wiederhergestellt. Als der Morgen gekommen war, und sie dem Mann das Traumgesicht und die Heilung des Kindes erzählt hatte, eilte sie zusammen mit ihnen schleunigst in die allheilige Kirche zu dem heiligen Märtyrer, rühmte und ehrte Gott und seine Heiligen.


Wunder 11 ((Die Heilung des Sohnes der Badehausaufseherin)

Einer Frau, die für das Doppelbad des Krankenhauses im Stadtteil Paschentios verantwortlich war, das sich in der Nähe des Palastes des Deuteron befindet,[15] geschah es, dass ihr Säugling, den sie gerade an ihre Brust gelegt hatte, einen Hodenbruch erlitt und nicht zu beruhigen war, schreiend und weinend vor Schmerzen. Die Mutter war ratlos, was sie tun sollte, da sie das Badehaus nicht verlassen und zum Heiligen gehen konnte, um bei ihm auszuharren, weil sie ganz allein mit ihrem Mann zusammenlebte. Da kam sie aus einer göttlichen Eingebung heraus auf folgende Idee, was zu tun sei: in einem der Bäder, wo sie lebten, stellt sie im Namen des heiligen Artemios eine Votivkerze auf.
Und als der folgende Tag anbrach, schien es ihr, als sehe sie im Schlaf einen der Edelleute aus dem Palast, der einen Mantel und einen Gürtel trug, wie er in das Badehaus eintrat, in welchem die Kerze brannte, um zu baden. Und zu ihr sagen: „Sind meine Handtücher nicht gekommen?“ Und er tat, als würde er seinen Dienern zürnen und ihnen drohen, weil sie ihm mit den Handtüchern nicht zuvorgekommen waren, und setzte sich auf eine der Bänke.[16] Weil sie in Sorge und bedrückt war, fragte er sie: „Was hast du, Frau, was bedrückt dich?“ Sie hörte sich antworten: „Mein Kind, Herr, befiel plötzlich ein Leiden an seinen Hoden, und ich wollte gern zum heiligen Artemios laufen, doch kann ich von hier nicht weggehen. Also stellte ich die Kerze im Namen des heiligen Artemios auf, und sieh, Gott kann auch selbst, so hoffe ich, nach ihm sehen.“ Ihn aber hörte sie erneut zu ihr sprechen: „Du hast ein gutes Werk getan, denn da du auf Gott vertraust, wird er selbst das Kind durch den heiligen Artemios heilen. Also, sobald meine Leute eintreffen, möge der Badmeister mir ein schönes Bad bereiten um der Gesundheit deines Kindes willen.“ Nachdem er dies gesagt hatte, erwachte die Frau aus dem Schlaf. Und weil der Knabe zu weinen begann und nach der Brust suchte, gab sie ihm die Brust und da wurde er heiter und freute sich an ihr. Durch die Freude des Säuglings fasste sie Vertrauen zu dem Traumgesicht, oder wurde eher durch ihn darin bestätigt, betastete ihn und fand ihn gesund. Und als sie am Morgen aufgestanden war, sputete sie sich, Gott und dem Märtyrer zu danken, sie griff eine Kerze und Öl und alles, was sich sonst für eine Gabe eignete, eilte davon und ehrte Gott, der den Märtyrer erhöht hatte, und erzählte allen das unglaubliche Wunder.

Wunder 12 (Heilung des Kleinkindes in der richtigen Kirche)

Eine andere Frau hatte einen Sohn, der überraschend an einem Hodenbruch erkrankte, und weil seine beiden Hoden angeschwollen waren, konnte er vor Schmerzen nicht aufhören zu weinen. Diesen nahm die Mutter und harrte in der Kirche der Gottesmutter (Maria) im Stadtteil des Kyros aus, und betete unter Tränen, dass sie Gnade von ihr erlange. Da erscheint ihr nun im Traum jemand und sagt zu ihr: „Bringe dein Kind in den Stadtteil Oxeia, in die Kirche des heiligen Johannes und warte dort beim heiligen Artemios, und es wird deinem Kind gut gehen.“ Sie stand auf, nahm das Kind, ging in die ihr benannte Kirche und verrichtete das Übliche. Und nach einigem Warten erscheint es ihr im Traum, dass der Heilige die Hoden ihres Sohnes berührt und sagt: „Christus unser Gott, der aus der Gottesmutter hervorging, heilt dich selbst.“ Sie aber erwachte, fand es gesund und rühmte Gott.

Wunder 13 (Traum auf der Straße)

Ein bereits ergrauter Mann von 50 Jahren, der von einer Hodenerkrankung[17] niedergeworfen war, verharrte fünfzehn Tage bei dem Heiligen. Da ihn aber die Sorge um die häuslichen Angelegenheiten belastete und ihn zugleich Hoffnungslosigkeit bedrängte, weil er künftig ins Alter kommen würde, ohne sich guter Gesundheit zu erfreuen, nahm er seine Matte auf und ging davon. Von der Krankheit und von der Last seiner Matte bedrückt, wankte er irgendwie zögerlich umher. Als er das öffentliche Badehaus erreichte, das sogenannte Dagistheos-Bad, das sich gegenüber der Kyphé befindet,[18] wo einmal die Pferdeställe vom Hippodrom waren, setzte er die Matte erschöpft an einer Ecke ab und ruhte sich auf ihr aus. Es war so um die dritte Stunde. Von heftigen Schmerzen zusammengeschnürt und obwohl er sich selbst zusammennahm, sank er in Schlaf und sah im Traum, wie jemand in seine Hoden stach, und als er vor Schmerz erwachte, fand er sich mit Blut und Eiter bedeckt. Die Haut seiner Hoden war zerrissen und strömte einen unerträglichen Gestank aus. Nachdem er sich sofort in das Haus des Johannes Prodromos zurückbegeben hatte, wuschen ihm die, die er dort antraf, mit Schwämmen und lauwarmem Wasser die blutige Flüssigkeit ab. Und nachdem er auf die verletzte Stelle ein Pflaster mit Wachssalbe aufgelegt hatte, wurde er gesund.

Wunder 14 (Heilung auf See, ein „versehentlicher“ Fußtritt)

Ein Seemann, der von der gleichen Krankheit befallen war, harrte 30 Tage bei dem Heiligen aus. Da seine Kameraden ihn aufforderten, in See zu stechen, verließ er die Kirche und setzte die Segel. Nachdem sie Abydos[19] passiert hatten, sie segelten nämlich mit günstigem Wind, sahen sie jemand, der einen Mantel trug, den Augen deutlich erkennbar bei dem Steuermann stehen und Anweisungen geben, und sie erschraken vor dem befremdlichen Anblick, weil sie einen Fremden von solcher Gestalt mit sich segeln sahen. Es traf sich aber, dass sich zu dieser Zeit der Kranke nahe bei dem Steuermann schlafen legte. Wie nun der ihnen sichtbar gewordene Fremde sich von dort anschickte, das Steuerruder zu ergreifen, weil er ja dem Steuermann half, stellte er sich unwissend und trat dem Kranken auf seine Hoden. Dieser, von Furcht gepackt, schrie laut auf, dann betastete er seine Hoden und fand sich gesund, und staunend über den Vorfall zeigte er sich auch seinen Gefährten, die, weil sie das Wunder gesehen hatten und auch, wie der mitreisende Fremde unsichtbar geworden war, über viele Stunden „Herr, erbarme dich“ riefen. Sobald sie zu Hause angekommen waren, nahm der Geheilte sofort alles, was sich für eine Dankspende eignete, und kehrte in die gesegnete Stadt zurück, dort wo sich die Grabstätte des Heiligen befindet, und dankte Gott und dem heiligen Märtyrer.

Wunder 15 (Die Blasphemie des Narses)

Ein Mann, der in einem freiwilligen Dienstverhältnis bei einem der einflussreichen Männer der Stadt treu ausharrte,[20]wachte jeden Sabbat die ganze Nacht hindurch in der Kirche des Johannes Prodromos. Ein anderer aber mit Namen Narses, der noch sehr jung war und der selbst im Dienst bei demselben Herrn stand, schmähte den Mann, der die Nachtwache hielt, mit Anspielungen auf den Heiligen und machte Scherze über die Gesänge und das, was sie enthielten. Aber nicht genug damit, er ließ auch blasphemische Bemerkungen fallen und behauptete ironisch: „Ja, heilt der heilige Artemios vielleicht auch Bruchleidende?“[21] Weil er diese Reden fortwährend im Mund führte, sagte der Mann, der die Nachtwache hielt, zu ihm: „Narses, hör auf! Versuche nicht das Böse!“ Er aber wurde eher noch mehr angefacht. Nach einiger Zeit nun traf es sich, dass Narses schwer erkrankte und dass bei eben dieser Krankheit seine Genitalien stark anschwollen. Damals nun ging in der Tat der von ihm Geschmähte freiwillig nach ihm schauen und bewegte ihn dazu, zum heiligen Artemios zu gehen. Und er brachte ihn mit einer Trage in die Kirche des Johannes Prodromos, wo der Heilige ruht. Dort bereute Narses, was er einst in Unvernunft von sich gegeben hatte. So kam es, dass er, während er unter zahlreichen heftigen Schmerzen ausharrte, eines Tages zur zweiten Stunde einschlief. Da sah er, wie er selbst später erzählte, dass jemand, der wie aus dem Patrikios- Stand[22] gekleidet war, vom Narthex her kam, angeführt von einer reinen, weißen Taube. Nachdem er in das Hauptschiff eingetreten und abgebogen war, kam er in das linke Seitenschiff durch die oberen Gitter[23] wie in Richtung auf die Sakristei zu und stellte sich vor den Kranken. Er ergriff die Taube, die ihn geleitet hatte, und schlachtete sie über den Hoden des Kranken. Dieser, kaum war er erwacht, erzählte dem Aufseher[24] seinen Traum. Als kurz danach die Stunde gekommen war, gemeinschaftlich zu speisen (oder: die Kommunion zu empfangen), konnte er trotz der Hilfe des Aufsehers kaum aufstehen; von ihm gestützt, ging er hinunter in die heilige Grabstätte, weil er auch aus der Opferlampe des Heiligen trinken mußte, wie es die Sitte vorsah. Als er nun seine Kleider anhob, um nicht durch sie zu straucheln, bemerkte er eine Feuchtigkeit an seinen Beinen. Er vermutete aber, sich selbst begossen zu haben, als er sein Gesicht gewaschen hatte. Als er nun auch seine Kleider anfasste, bemerkte er, dass sie nass waren. Er war ratlos, was geschehen war, und als er nach einiger Zeit seine Hoden betastete, fand er heraus, dass sie drei Finger breit aufgerissen waren und die Feuchtigkeit an Beinen und Kleidern von Blut und Eiter herrührte. Überwältigt von Furcht und fast ohnmächtig stürzte er zu Boden. Die Anwesenden hoben ihn auf und brachten ihn auf seine Matte, sie reinigten seine Beine und die Wunde mit lauwarmem Wasser und Schwämmen, trugen nach die Wachssalbe des heiligen Märtyrers wie ein Pflaster auf, und so wurde der Kranke wieder gesund.

Wunder 16 (Die Heilung des Wächters in der Kornkammer)

Ein Mann mit Namen Sergios, in Alexandria geboren, der Wächter in der Kornkammer (horreum) des Stadtteils Kaisarios war, welche „Lamia“ genannt wird, und der schon etwa 60 Jahre auf dem Buckel hatte, erlitt einen Hodenbruch. Er ging regelmäßig zum heiligen Märtyrer und bat ihn mit den Worten : „Heiliger Artemios, der du dux und augustalios[25] in meiner Heimatstadt Alexandria geworden bist, heile mich nach all den vielen (die du schon geheilt hast).[26] Du weißt ja, dass ich ein Greis bin und zudem die Getreidekammer nicht unbeaufsichtigt lassen und bei dir verweilen kann. Denn wenn ich das täte, stellen sie einen anderen ein, und ich wäre sowohl meiner Stelle als auch meines Lebensunterhaltes beraubt, und das zu erdulden bin ich nicht imstande.“ Solches und Vergleichbares sprach er, sooft er sich betend an den Heiligen wandte. Er schlief aber in der Getreidekammer, und eines Nachts erschien ihm der Heilige. Dem Alten kam es so vor, als sähe er den Verwalter der Kornkammer (comes horreorum). Der Heilige trat heran und sagte zu ihm: „Du schläfst lange und vernachlässigst die Kornkammer. Sieh und hab acht, dass man nicht stiehlt, was hier ist!“ Und er gab ihm eine Goldmünze und sagte: „Nimm, damit du etwas trinken kannst.“[27] Es war aber Wachssalbe. Er aber erwachte und freute sich über das Geschenk der Goldmünze. Denn weil er noch schlaftrunken war, nahm er an, auch in Wahrheit eine Goldmünze zu besitzen. Als er aber seine Faust und die Finger ausbreitete und herausfand, dass er ein kleines Wachssiegel mit dem Abdruck des Heiligen besaß, kam er zu sich und erkannte das Wunder, das an ihm gewirkt[28] worden war und dass es der heilige Artemios gewesen war, den er gesehen hatte. Augenblicklich weichte er das Wachssiegel auf und strich es auf seine Genitalien. Und unmittelbar zum gleichen Zeitpunkt, da das aufgeweichte Wachs des Siegels ihn berührte, wurde er gesund, und er lobte Gott und seinen heiligen Märtyrer.

Wunder 17 (Der übermütige Schauspieler)

Zur Herrschaftszeit des Herakleios,[29] den Gott zu sich gerufen hat, gab es unter den Senatsmitgliedern einen Mann mit Namen Sergios, der den Beinamen „nach menschlichem Ermessen“[30] trug. Er war Patrikios[31] und frommer Richter,[32] und zu seiner Verwandtschaft gehörte ein etwa 40 Jahre alter Mann, der an einem Hodenbruch litt. Weil der Patrikios sich seinetwegen große Sorgen machte, empfahl man ihm, ihn zum heiligen Artemios zu schicken. Und er schickte ihn mit der standesgemäßen Ausstattung los. Als jener Verwandte gerade aufbrechen wollte, bemerkte dies ein Mann, ein gebürtiger Alexandriner und Darsteller von Bühnenstücken, an denen sich gerade die einflussreiche Oberschicht gern erfreut. Weil er es aber mitbekam, bot er seine Begleitung an und sagte: „Bei der Furcht vor Gott, ich will mit ihm gehen!“ Der Kranke aber, da er sich von ihm geschmeichelt fühlte, nahm ihn mit sich, und sie gingen zu der Kirche, wo der heilige Artemios liegt. Zur zehnten Stunde betete er und lud die hebdomarioi (Wochendiener)[33] zum Mahl ein. Nach dem Essen bat es sie eindringlich und sagte: „Lasst mich unten bei der heiligen Grabstätte schlafen!“ Sie aber hinderten ihn daran und sagten, dass es außer in der Nacht zum Sonntag niemandem möglich sei, dort unten zu schlafen. Als er das hörte, war er sehr betrübt. Die Wochendiener jedoch, um sich nicht den Anschein zu geben, sie hätten ihn, indem sie dies sagten, nur zum Vorwand verärgert, um von ihm etwas Geld zu erpressen,[34] erlaubten ihm, in der heiligen Grabstätte zu schlafen; zumal er zu den Einflussreichen gehörte. Der Alexandriner machte sich sehr darüber lustig und beanspruchte selbst, unten zu schlafen, wurde aber von den Wochendienern nicht gelassen, die ihn nur mühsam dazu brachten, sich oben in der Kirche schlafen zu legen. Und so legte er sich vor dem Bildnis des heiligen Johannes nieder, dort wo sich der Bogen am Anfang der rechten Treppe befindet, die nach unten führt. Gegen Mitternacht aber erwachte der Schauspieler, weil er Wasser lassen mußte, und ging im Kreis in der ganzen Kirche herum und fand doch keinen Ausgang, weil die Kirche, wie gewohnt, in der Nacht mit den vier Gittern an beiden Seiten gesichert war.[35] Schließlich blieb er am rechten Eingang der Kirche stehen, dort wo sich der Brunnen und das Bildnis der Samariterin befinden,[36] und urinierte dort. Und nachdem er Wasser gelassen hatte, riss ihn ein Hodenbruch nieder, der bis hinab zu seinen Knien reichte. Er schrie voll Schmerz in dem uns bekannten lächerlichen Dialekt der Alexandriner: „Bei der Furcht vor Gott! Dieser Heilige ist ein Hochstapler![37] Er ist ein Schöpfer von Hodenbrüchen; beim heiligen Menas![38] Weh dem, durch den ich solches erfuhr!“ Er schrie beharrlich weiter, und der Mann, der in der heiligen Grabstätte schlief, meinte, er würde aus Spaß schreien, und kam herauf. Und in dem er vorgab, unter Verdauungsstörungen zu leiden, bat er darum, dass ihm das Gitter geöffnet würde. Als er heraustrat rief er den Schauspieler zu sich, und während er sich (auf die Latrine)[39] setzte, tadelte er ihn mit den Worten: „Nicht einmal in der Kirche bist du still und schweigst, sondern du schwatzt und läßt uns nicht schlafen! Hätte ich das gewusst, wärst du nicht mit mir gekommen.“ Drauf der Schauspieler zu ihm: „Weh der Stunde, in der ich diese Kirche betrat!“ Er aber machte ihm noch mehr Vorwürfe, weil er nicht wusste, was ihm passiert war. Und nach vielen Worten sagte der Schauspieler zu dem Kranken: „Hebe deine Kleider hoch, damit ich deinen Bruch sehen kann!“ Und als dieser es anhebt, sieht der Schauspieler ihn gesund und ohne Leiden. Da lüftet auch der Schauspieler selbst seine Kleider und zeigt ihm, was ihm zugestoßen ist. Als der Geheilte das sah, schlug er sich auf die Stirn und verspürte gleichzeitig den Drang zu lachen und betrübt dreinzuschauen und war zwischen beidem ganz hin und her gerissen. Der Schauspieler sagte zu ihm: „Beim heiligen Menas! Sowohl du als auch dieser Heilige, Ihr seid Hochstapler![40] Wehe, Wehe! Deinen Hodenbruch hat er mir geschickt! Ah, was für eine Fürsorge und Unterstützung! Wehe diesem Heiligen hier! Schau, von wem sie sagen, dass er Hodenbrüche heile! Als Gesunder bin ich gekommen, als Bruchleidender gehe ich fort!“
Sobald es Tag geworden war, machte der Vorfall die Runde, und die Kirche füllte sich. Da brachen sie auf und machten sich auf den Heimweg: der zuvor Kranke gesund, der zuvor Gesunde von einem Bruchleiden betroffen. Was der Schauspieler unterwegs an Nennenswertem sagte, ist, glaube ich, überflüssig zu erwähnen, und ich übergehe es wegen der Länge. Als sie dann aber im Begriff waren, gemeinsam mit dem Patrikios das Mittagsmahl einzunehmen, kamen die beiden gleichzeitig, und der Patrikios sagte zu seinem Verwandten: „Wie geht es dir? Wie fühlst du dich?“ Der Schauspieler aber, noch immer aufgewühlt, hob blitzschnell seine Kleider und so entblößt zeigte er sich vor allen und sagte: „Schau, wie es geht! Seinen Hodenbruch hat jener Heilige, der angeblich dux und augustalios[41] meines Landes gewesen ist, mir angehängt!“ Darüber brachen die Anwesenden sowohl in Gelächter als auch in Tränen aus. Während sie über den Vorfall ratlos waren und sich mit allen möglichen Überlegungen herumschlugen, sahen sie alle, wie das Leiden des Schauspielers verschwand, so dass sie außer sich gerieten, die Hände erhoben und lange „Herr, erbarme dich“ riefen und Gott ehrten durch seinen heiligen Märtyrer Artemios.

Wunder 18 (Der Raub am Festtag des Heiligen Johannes des Täufers)

Ein Mann, der seit früher Jugend die Nachtwache des Prodromos hielt und dabei die bis auf den heutigen Tag gebräuchlichen Verse des unter den Heiligen bescheidenen Romanos[42] sang, wurde zur Zeit der Herrschaft des Herakleios[43] am Festtag der Geburt des Heiligen Prodromos[44] ausgeraubt. Der Räuber wusste nämlich, dass er allein lebte (inzwischen lebt er ja sogar schon 52 Jahre lang allein), und indem er den Zeitpunkt abpasste, wo dieser sang, fand er die günstige Gelegenheit und brach bei ihm ein. Nachdem jener die Nachtwache vollendet hatte, ging er zu sich nach Hause und fand den Riegel unversehrt, als wäre nichts daran manipuliert worden. Da er auch drinnen nichts Ungewöhnliches bemerkte und er zudem ja gerade von der Nachtwache kam, schlief er sorglos ein. Als es Tag geworden war und er daran ging, sich wegen der Würde des Festes umzuziehen und glanzvoller zu kleiden, fand er nicht ein einziges seiner Kleider, nicht einmal seinen Gürtel, bis auf das, was er getragen hatte, als er von der Nachtwache gekommen war. Um eine Nachforschung in Gang zu setzen, bat er seine Nachbarn, ihm, wenn sie es wüssten, zu sagen, wie der Räuber ausgesehen habe. Sie aber sagten ihm, dass sie keine Ahnung hätten. Als sie ihn aber über seine Entblößung weinen sahen, schlugen sie ihm vor, zum heiligen Pantaleemon[45] zu gehen, in den Stadtteil Ruphinos, und behaupteten, dass ihm dort jemand Beistand geben werde, der ihm sage, wer der Räuber sei. Es traf sich nämlich, dass zu jener Zeit besonders viele Besessene in zahlreichen Kirchen weilten.

Der Mann, von diesen Worten für den Augenblick erleichtert, ging zum heiligen Pantaleemon und als er das Geschrei der Besessenen hörte, sprach er zu sich: „Soeben verlasse ich Gott und wende mich an Dämonen. Gerade bin ich ausgeraubt – nun verliere ich auch noch meine Seele.“ Und mit diesen Worten wandte er sich um und ging wieder nach Hause. Mutlos warf er sich auf sein Bett, beedauerte sich selbst und fiel in Schlaf. Es war so um die zweite Stunde herum; doch weil er keine Wechselkleidung hatte und im übrigen in seiner Niedergeschlagenheit verhaftet war, ging er nicht in die Kirche. Dem Schlafenden aber erscheint der heilige Artemios in der Gestalt eines angesehenen Mannes in Alltagskleidung und sagt zu ihm: „Weswegen bist du nicht hingegangen und hast mit deiner Kerze das Heiligtum in der Prozession begleitet, so wie es bei euch Brauch ist, die ihr an der Nachtwache teilhabt?!“ Er aber antwortet: „Ich bin ausgeraubt worden und habe nichts anzuziehen.“ Der Heilige sagt zu ihm: „Und möchtest du wiederfinden, was du verloren hast?“ Da sagt er zu ihm: „Das wünsche ich in der Tat, denn ich bin ja nackt!“ Und der Märtyrer sprach zu ihm: „Schwöre mir, dass du dem Dieb kein Leid antust, und ich sage dir, wer es ist.“ Der Bestohlene sagte: „Bei Gott, ich werde ihm nichts Böses tun, sondern ihn sogar zum Freund machen.“ Da sagt der Heilige zu ihm: „Ich glaube dir nicht.“ Und er nimmt gewaltsam die Hand des Beraubten und legt sie auf das Bildnis des heiligen Johannes, welches der Beraubte selbst besaß, und sagt zu ihm: „Schwöre es mir bei ihm; denn ich weiß, dass du ihn fürchtest und verehrst.“ Und er schwor es bei ihm mit den Worten: „Ich werde ihm nichts Böses tun, sondern werde ihn sogar für einen großen Freund halten und ihm ein Geschenk machen, wenn ich meine Sachen wieder finde.“ Da sagt der Heilige: „Theodosios, der psaltes,[46] nahm sie und hat sie.“

Erfreut wachte er auf und ging um die siebente Stunde zu dem Händler Abraamios nahe bei der Kirche des heiligen Johannes, der der Schatzmeister der Nachtzelebranten war. Und der Schatzmeister sagt zu ihm: „Wo warst du? Weshalb bist du nicht mit deiner Kerze zu den heiligen Handlungen gegangen? Gib mir deine Kerze und das Bußgeld.“ Er antwortete: „Bei Gott, ich bin beraubt worden, und weil ich nichts hatte, womit ich mich kleiden konnte, bin ich nicht gekommen.“ Als nun alle, die mit ihm dort saßen, und der Händler selbst unruhig wurden und fragten, wer der Dieb gewesen sei und wie er es angestellt habe, sagte er zu ihnen: „Bei Gott, ich weiß es nicht, es sei denn – ob ich es mir nun einbilde oder auch nicht – vor kurzem, als ich schlief, sagte mir jemand im Traum, dass Theodosios, der Psalmensänger, es genommen habe.“ Der Psalmensänger selbst aber saß dem Händler genau gegenüber und machte mit einigen anderen Würfelspiele. Und wie der Verlauf später zeigte, hatte er, obwohl er dort würfelte, sein Ohr dem Gesagten genau zugewandt. Da sagen die, die um den Beraubten herumstehen, heimlich zu ihm: „Sieh, wo der Psalmensänger sitzt und sprich mit ihm.“ Und während er mit ihnen ein zweites Mal über dasselbe sprach und dass Theodosios seine Sachen weggenommen habe, da ließ jener die Würfel liegen, durchquerte die herumsitzenden Leute, ging abrupt in die Mitte und sagte: „Was sagst du, Herr? Theodosios hat sie weggenommen? Ich habe irgendetwas gestohlen?!“ Dem Beraubten wurde klar, dass der es, wenn er ihn vor allen beschämte, leugnen würde, und sagte zu ihm: „Ich sagte nicht, dass du etwas weggenommen habest, sondern dass, wenn Theodosios wolle, sie gefunden werden.“ Er aber widersprach: „Ich habe dich sagen gehört, dass Theodosios sie weggenommen habe.“ Da sprach der Beraubte ganz offen zu ihm: „Mein Gott, ob es dich nun betrübt oder nicht betrübt, als ich vor einiger Zeit schlief, sagte mir jemand, dass Theodosios sie genommen habe.“ Da sagt Theodosios zu ihm: „Mach eine Liste und gib sie mir, damit ich sehe, was du verloren hast.“ Nachdem er dies getan und sie ihm gegeben hatte, nahm der Psalmensänger die Liste und sagte: „Zieh in Frieden von dannen, sei ohne Sorge! Gott ist unsere Hilfe!“

Er hatte aber einen Bruder, mit dem er zusammen auf Raubzüge ging, und der sogar den größeren Anteil genommen hatte, wie sich später herausstellte. Und um die achte Stunde herum bringt er diesen, seinen Bruder, mit Fesseln überwältigt, vor Drosos, der jetzt Secretarius ist, damals aber Commentariensis des Alexander von Perada war.[47] Und als der Beraubte den Gefesselten sah, sagte er: „Bei Gott, er trägt meine Kleider und meinen Gürtel!“ Man hatte ihn nämlich herausgeputzt vorgeführt. Der Commentariensis sagt zu ihm: „Hierher, zu meinem Secretarius!“ und sie gingen mit ihm: der Beraubte und die Räuber. Es war dem Beraubten aber nicht mehr im Gedächtnis, was er dem Heiligen geschworen hatte. Als der Secretarius sie nun aufnahm, fragte er sie nichts, sondern führte die Diebe sofort vor den Statthalter (das war Theodoros im Dienst des Kallinikos[48]), den Beraubten postierte er nah der Türschwelle. Dieser war nämlich unerfahren in solchen Angelegenheiten und hatte auch noch nie eine Präfektur[49] von innen gesehen. Als die Diebe hereingeführt wurden, unterbrach der Statthalter das Gespräch, in dem er sich gerade befand, und befragte den Secretarius über den Fall. Der aber unterrichtete ihn nicht so, wie es tatsächlich war, sondern anders, indem er behauptete: „Sieh jenen, mein Herr, der dort an der Schwelle steht: Er lieh diesen hier Kleider, damit sie sich für eine Hochzeit festlich kleiden konnten, und sie gaben ihm ein Pfand[50] dafür.“ Der Beraubte konnte von dem Gesprochenen nichts verstehen, und glaubte, dass sie über den Fall die Wahrheit aussagten, so antwortete er, als er von dem Statthalter und seinen Angestellten[51] gefragt wurde, ob das Gesagte richtig sei: „Ja, mein Herr.“ Einer derer, die nahe dabei standen, Theophylaktos mit Namen, der Untergehilfe[52] war und sich dem Nachtzelebranten widmete, ging unbemerkt von dem Statthalter nahe an den Beraubten heran (denn er wusste über den Vorfall bescheid) und sagte zu ihm: „Warum stimmst du zu und sagst „Ja“? Sag, dass du beraubt wurdest, damit gegen sie der Prozeß eingeleitet wird. Denn der Secretarius hat ausgesagt, dass der sie zum Gebrauch von dir erhalten habe.“ In diesem Moment kam dem Beraubten der Eid in den Sinn, den er dem Heiligen gegeben hatte, und aus der Uneinigkeit schloss er, dass auch dies das Werk des Heiligen sei, und um zu zeigen, dass sie nichts Schlimmes erleiden würden, nahm er den Secretarius und die beiden Räuber zu sich und sagte: „das Meine, mein Herr, will ich nehmen, eure Dienste will ich bezahlen und diese hier laß frei!“ Und er legte ihm einen Eid ab, dass ihnen bei Gott und dem Heil der Kaiser kein Unheil geschehen würde, und gab dem Secretarius acht silberne Hexagramm- Münzen[53] und dem Commentariensis drei, nahm alle seine Kleider bis auf sein Hemd und seine Kniehose,[54] die einer der Räuber trug, und er überließ sie ihm gern, weil er Mitleid mit ihm hatte, damit er nicht völlig nackt zurückbliebe. Und dem Psalmensänger gab er, so wie er es dem Heiligen versprochen hatte, eine halbe Goldmünze.

 

Wunder 19 (Der Beckenbruch des Georgios)

Und auch dies ist eines der Wunder des Märtyrers:[55] Es trug sich einmal zu, dass der Archivar der kirchlichen Finanzbehörde,[56] ein Mann von 20 Jahren mit Namen Georgios, der in einem Haus von oben herabfiel und sich verletzte, für lange Zeit lahm war. Da machte ihm einer derer, die regelmäßig die Nachtwache halten, den Vorschlag, zum Heiligen Artemios zu gehen und seine schmerzende Hüfte mit dem Öl aus den in der Grabstatt brennenden Lampen zu bestreichen. Da er dies hörte, begab er sich unverzüglich in die allheilige Kirche, doch als er sich anschickte, durch die rechte Seite in die Grabstatt hinabzusteigen, rutschte er, weil er ja hinkte, mit dem Fuß aus und stürzte – sich überschlagend – von der obersten Stufe bis vor die Tür der Grabstatt, so dass er, erschrocken durch den Sturz, die Hoffnung für sich aufgab und mit lauter Stimme schrie: „Wehe mir Unglücklichem! Jetzt habe ich mir alles gebrochen!“[57]Solange er aber durch seine Furcht in dem Sturz verharrte und am Boden liegen blieb, nahm er an, dass er sich sein Becken ganz und gar gebrochen habe. Als er aber richtig zu sich kam und versuchte aufzustehen, fand er sich selbst völlig schmerzfrei, stand auf und ging aufrecht herum, als wäre ihm nie etwas zugestoßen.

Wunder 20 (Ein weiteres Leiden des Georgios)

Derselbe Georgios hatte eine schlimme Erkrankung, als an der Eichel seines Penis ein Leiden aufkeimte. Dieses Leiden heißt Sykaminea,[58] und es war nicht ein sykaminon (Feigwarze) hervorgekommen, sondern sieben! Von den vielen Ärzten, die er aufsuchte, bekam er keine Hilfe, sondern die Symptome seines Leidens entwickelten sich, je mehr die Ärzte ihm Hilfe in Aussicht stellten, umso stärker zum Schlechteren. Es war aber, wie ich glaube, das Ergebnis eines göttlichen Planes, der die Machtlosigkeit der Ärzte erwies im Hinblick darauf, dass der Märtyrer auch in diesem Fall Wunder wirken kann. Als nun einige Ärzte zu der Einsicht kamen, ihn zu operieren, wurden sie von einer Überlegung zurückgehalten, denn sie behaupteten: „Wenn wir sie mit dem Messer schneiden, werden wahrscheinlich an eben der Stelle, an der durch den Schnitt Blut heraustritt, genau am gleichen Ort andere Sykamineai entstehen. Wenn wir sie aber ohne Messer mit Gewalt entfernen, wird wieder die Jahreszeit der Maulbeerfeigen kommen,[59] und so wird er jedes Jahr von derselben Krankheit befallen werden.“ An dieser Stelle warf der Mann die Ärzte hinaus und wandte sich an Gott und den heiligen Märtyrer und erbat die Hilfe von ihnen. In derselben Nacht nun erschien ihm der Heilige im Traum und sagte: „Was ist es, was du hast?“ Er sagt zu ihm: „Ich leide, und die Ärzte sind unfähig mich zu heilen.“ Da sagt der Heilige zu ihm: „Hebe deine Kleider! Laß mich sehen, was du hast.“ Und als sich der Mann entkleidet hatte, sprach der Heilige: „Es sind sieben Sykamineai, eine große Lappalie! Sieh an, bei was für einer Krankheit die Ärzte nicht weiter wussten!“ Und er sagt zu dem Kranken: „Lass dir rasch ganz silbrig weißen Essig kommen und gib Salz hinein, und nachdem du einen einfachen Lappen darin getränkt hast, gib ihn auf die Stelle, an der das Leiden ist, und es wird dir wieder gut gehen.“ Er stand auf und tat genau das, was ihm aufgetragen war, und über zwei Tage waren die sieben Sykamineai unsichtbar geworden. Den Mann, der dieses erprobt hatte, gibt es noch, und er verkündet den Ruhm des Märtyrers und erzählt ihn weiter. Und vielen, die von derselben Krankheit betroffen waren, sowohl Männern als auch Frauen, empfahl er, dieselbe Heilmethode anzuwenden. Und die auch so handelten, wurden auf dieselbe Weise gesund durch die Gnade unseres Herrn, Jesu Christi, dem die Ehre ist in alle Ewigkeit.

Wunder 21 (Stephanos widersagt den Ärzten)

Stephanos, Diakon der heiligsten großen Kirche und Dichter aus der „Blauen Partei“,[60] erzählte die folgende Geschichte: „An meinen Hoden“, sagte er, „hatte ich mal einen Bruch;[61] ob vom Schreien,[62] oder ob von einem schweren Gewicht, weiß ich nicht mehr zu sagen. Dies geschah mir aber kurze Zeit bevor Herakleios, des seligen Angedenkens, starb.[63] Ich verbarg mich selbst einige Zeit voll Scham und wartete auf eine Gelegenheit, allein (den meisten unsichtbar)[64] zu baden. Spät irgendwann eröffnete ich meinen Eltern das Missgeschick, und da, nachdem alle möglichen Behandlungen an mir vorgenommen worden waren, schließlich, nachdem ich mit ihnen beratschlagt hatte, begebe ich mich zur Operation zu den Chirurgen des Sampson- Hospitals;[65] und ich ließ mich in eben jenem Krankenzimmer nieder, das nahe am Eingang der Augenklinik ist. Nachdem ich drei Tage und Nächte mit kalten Brennungen kauterisiert[66] worden war, wurde ich am vierten Tag operiert. Was ich bei meiner Wiederherstellung Schreckliches erlitt, übergehe ich lieber zu schildern. Um nur das Wichtigste von allem zu sagen: Durch die Ärzte hatte ich die Hoffnung in mein eigenes Leben aufgegeben. Nachdem aber Gott, gerufen durch die Tränen meiner Eltern, mir mein Leben schenkte, und die Narbe von dem Schnitt und der Verbrennung verschwand, und ich gerade glaubte gesund zu sein, befiel mich nach nicht langer Zeit wieder dieselbe Krankheit, und ich geriet infolgedessen in den früheren Zustand. Wieder begann ich mich selbst zu verbergen, wieder wusch ich mich in unbeleuchteten Bädern und nutzte die Mittags- oder Abendstunden, damit niemand meine Schmach zu sehen bekäme. Ich hatte aber das Bestreben, zum heiligen Märtyrer zu gehen, weil ich von seinen zahlreichen großen Wundertaten gehört hatte. Und da ich zwar in der ehrwürdigen Kirche nicht ausharren wollte,[67] weil ich mich vor Freunden und Bekannten schämte, von ihnen gesehen zu werden, wenn ich eine solche Krankheit habe. So ging ich nun fortwährend dorthin (denn ich hielt mich“, so sagte er, „für die damalige Zeit in dem Stadtteil Oxeia auf). Und wenn ich in die heilige Grabstatt mit seinen geehrten Reliquien hinabstieg, gab ich jedes Mal von seinem Gesegneten (scil. Öl) auf meine Hoden,[68] in der Hoffnung, auf diese Weise die Heilung zu erwirken. Und ich bat ihn viele Male inständig, mich von der überaus schlimmen Krankheit zu erlösen. Als nun gerade die zweite Indiktion[69] vorübergegangen war, ging ich eines Tages wegen irgendeiner Angelegenheit zur Kirche, und nachdem ich mit Kosmas, der damals dioiketes[70] der Blauen Partei war, zusammen gefrühstückt hatte, machte ich mich erst zu später abendlicher Stunde auf den Heimweg. Und da auf dem Weg kam mir der Gedanke, Wachskerzen einzukaufen und mich zu dem heiligen Märtyrer zu begeben. Denn von dort nahm ich immer meinen Durchgang. Als ich dann zu dem Haus hinabkam, das die Jordanshäuser[71] genannt wird, gab ich dem dortigen Kerzenmacher eine Geldsumme und nahm die Kerzen und das restliche Kleingeld. Die Kerzen hatten keine „Fische“ (πῖναι),[72] aber der Kerzenmacher hatte keine anderen, bis auf ein einziges Paar, für das er, wie er vor mir argumentierte, die Bezahlung bereits erhalten habe. So war ich nun gezwungen, diese Kerzen unvorsätzlicherweise zu kaufen, da sie keine Fischhalter besaßen. Als ich den Durchgang erreichte, der von dem Bibianos-Palast[73] zu den gegenüberliegenden Kolonaden führt, in Gedanken mit den Kerzen beschäftigt und unzufrieden über sie, stürzte ich, da es heftig regnete und überall Matsch war (denn es war Winter) und zerschlug im Fallen die Kerzen in verschiedene Bruchstücke und verschüttete das Wechselgeld. Ich spie auf den Satan und erbat mir einen Kerzen-Fischhalter von dem besagten Kerzenmacher, sammelte mein ganzes Wechselgeld bis zu einem halben Follis[74] ein, die Kerzenbrocken aber gab ich demselben Kerzenmacher und den Arbeitslohn dazu und forderte ihn auf, mir die Kerzen zu geben, für die er, wie er sagte, schon den Kaufpreis erhalten hatte. So gebeten, gab er sie heraus. Ich nahm nun die Kerzen an mich, erreichte die Kirche und entzündete sie im heiligen Haus. Dabei rief ich Ihn aus der Tiefe meiner Seele an. Dann, als ich in die heilige Grabstatt hinabstieg, fand ich die vordere Tür geöffnet und wunderte mich, dass sie zu einer solchen Stunde geöffnet war. Dies aber war ein Werk des Märtyrers, der sich meiner erbarmen wollte. Ich breitete mich mit dem Gesicht nach unten und mit gespreizten Beinen auf der heiligen Grabstatt aus und richtete es so ein, dass die Ecke (der Eckstein) dieser heiligen Grabstatt genau die Stelle berührte, an der ich krank war. Und unter Tränen sprach ich wieder zum Märtyrer: ‚Heiliger Artemios, mein Gott, der Dir die Gnade gegeben hat, kein Arzt der Welt wird mich je mehr berühren! Wenn Du es befiehlst, so heile mich! Wenn aber nicht, werde ich so in der Erniedrigung umherwandeln, der Heilung bar.‛

Nach einigen Tagen ging ich in das Bad im Stadtteil Anthemios, das sogenannte Libanon,[75] um mich bei Tagesanbruch zu waschen und von niemandem beobachtet zu werden. Als ich in das Heißwasserbecken hineinstieg, entdeckte ich an mir, dass ich das Leiden noch hatte, als ich aber wieder herausstieg, hatte ich kein Übel mehr. Und als ich die von Gott und dem heiligen Märtyrer an mir vollbrachte Menschenliebe erkannte und ihre Gnade, die mich unwürdigen Sünder in den Schatten stellte, und die Beachtung, die mir wider Erwarten geschenkt wurde, da rühmte und dankte ich ihnen nach Gebühr. Und ich verherrliche und verkünde ihre Größe mein ganzes Leben lang.“

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[1] Cf. Ps 67, 36, θαυμαστὸς ὁ θεὸς ἐν τοῖς ἁγίοις αὐτοῦ. Möglich ist aber auch die Übersetzung “in seinen Heiligtümern” cf. Ps 150.1.2, Αἰνεῖτε τὸν θεὸν ἐν τοῖς ἁγίοις αὐτου. Leztere paßt aber schlechter, da das Vorhaben lautet, die Taten des Heiligen (und nicht seines Heiligtums) zu berichten.


[2] Möglich (und bevorzugt): der Vater als eine Art Behandlung oder aber der Sohn, der dann Subjekt des nächsten Satzes ist. Vgl. M4, M11, M12, M15, ...


[3] Der Wohnort des Patienten ist unklar; evtl. lebte er am Golf von Nikomedeia, vgl. Crisafulli, 230f.


[4] Der „Hodenbruch“, griech. κήλη, lat. hernia scrotalis ist eine Form des Eingeweidebruchs mit Verlagerung von Eingeweiden u. Organteilen bei Ausstülpung des parietalen Bauchfells durch eine angeborene oder erworbene Bauchwandlücke. Ihr, von oberflächlicheren Gewebsschichten bedeckter, Bruchsack enthält zumeist seröse Flüssigkeit („Bruchwasser“). Die hervorstechenden Krankheitszeichen sind eine tast- oder sichtbare Bruchgeschwulst, spontane u. Druckschmerzen (evtl. ausstrahlend), evtl. auch ein Stauungsödem.


[5] Gemeint ist Konstantinopel, die Stadt, in der sich die Artemioskirche befand.


[6] Das Motiv der Zuschauer kehrt wieder in M6, M.....


[7] Diese Stelle ist ein Hinweis darauf, dass es neben der Kirche ein Hospital gab (siehe Grundrißzeichnung), das parallel betrieben wurde.


[8] s. Abb. des rekonstruierten Stadtplans.


[9] ἡ κανδήλα heißt eigentlich „Kerze“, doch aus Wein und Öl bestehend kann es sich nur um eine Öllampe handeln.


[10] Worin genau die traditionelle Form der Bittstellung bestand, ist mir noch nicht ganz klar. Crisafulli erklärt „ununterbrochen“ damit, dass der Betroffene die Kerze am Brennen hielt. Vgl. Commentary 233. Vgl. Anm.2.


[11] Dieser Bezirk lag im Südwesten der Stadt, entlang der Küste. Magnaura hieß ein Palast des Emperors Valens.


[12] Es erscheint sehr wahrscheinlich, dass hier Johannes, der Täufer und die heilige Febronia gemeint sind, wie Crisafulli vermutet (XIII).


[13] φιλοσυνθήκεις: hapax.


[14] Dieser Satz fehlt in B, weil der Kopist entweder einen besseren Text zur Verfügung hatte, oder aber den Satz für falsch hielt. Auffallend ist, dass in unmittelbarer Nachbarschaft der Ort des Geschehens einmal mit τῶν ἐκεῖσε und dann mit τῶν ἔνθεν bezeichnet ist (was Crisafulli in seiner Übersetzung nicht berücksichtigt). Dies spricht dafür, die Perspektive zu wechseln und eher eine zusätzliche Person einzuführen, die als Subjekt von ἀπεδήμησεν anzunehmen ist. Dies würde insofern einen Sinn ergeben, als Theodoros außerhalb des Heiligtums geheilt wird, so dass der Heilige selbst oder aber ein Vertreter sich mit auf das Schiff begeben haben könnte.


[15] Einziger Beleg für die Existenz dieses Palastes und einziger sicherer Beleg für die Existenz von (mindestens) einem Krankenhaus in Konstantinopel. (vgl. Crisafulli zur Stelle)


[16] Eine solche „Bank“ wird noch in M29 erwähnt, auf der jemand einschläft.


[17] Hierbei handelt es sich offenbar nicht um eine Brucherkrankung, sondern um einen infektuösen Zustand, eine Orchitis (Didymitis), die meist hämatogen-metastatische (z.B. bei Mumps, Gonorrhö, Tuberkulose), seltener posttraumatische Hodenentzündung. Akut mit Schwellung, hohem Fieber, in Leiste u. Rücken ausstrahlenden Schmerzen, später oft mit Beteiligung von Nebenhoden u. Samenstrang (Epididymoorchitis); evtl. nachfolgende Azoospermie, Sterilität.


[18] Die Kyphé war ein bekanntes Gebäude, im Jahr 905 nachgewiesen als ein Bordell.


[19] Abydos ist eine Stadt an der asiatischen Küste des Hellespont. Da sie am Eingang zum Hellespont lag, war sie eine Art Umschlagplatz und Steuer-Kontrollpunkt etc. Insofern ist die Formulierung „Abydos passieren“ gleichbedeutend mit „den Hellespont verlassen bzw. in ihn einfahren“.


[20] Das Wort προσκαρτερεῖν  wird meist für den Beginn der Inkubation verwendet


[21] ὁ κηλήτης, jemand der an einem Bruch erkrankt ist. Vgl. z.B. M17.


[22] Patricius (πατρίκιος) war ein vom Kaiser verliehener Titel, vgl. M17.


[23] Crisafulli erklärt diese Gitter (griech. τὸ κάγκελλον, lat. cancellus) mit Mango, History of the Templon, als hölzerne Gitter (Schranken), die des Nachts zum Schutz heruntergelassen wurden. Die Kranken waren nachts mit solchen Gittern eingeschlossen. Vgl. M17, M25, M27. Höchstwahrscheinlich handelte es sich dabei jedoch um Gitter, die geschlossene Türen ersetzten, um zwar einerseits das Eindringen von außen zu verhindern (Diebstahl), andererseits aber die Durchlüftung zu ermöglichen (Speck, Wunderheilige und Bilder, 213).


[24] Nach Crisafulli so eine Art „Nachtwächter“.


[25] Dux ist ein militärischer Rang, der zwischen dem Tribunen und dem Legaten liegt und dessen Amtsbereich sich i.d.R. mit der Provinz deckt, augustalios (lat. augustales) bezeichnet hier das Amt des praefectus aegypti, seit der Spätantike von senatorischem Rang.


[26] Das Gebet folgt dem Schema eines antiken Hikesie- Gebetes: Anrufung, preisende Epitheta im Relativsatz, der Hinweis auf frühere Hilfe und die Bitte: Hilf „so auch jetzt“.


[27] Es ist so gemeint, wie es aussieht: Der Alte soll nicht so viel schlafen und besser achtgeben. Damit ihm das leichter fällt, soll er einen trinken.


[28] ποιεῖν οἰκονομίαν:  „to do a good turn“ vgl. Crisafulli, 248, nach Sofroniou, Structual semantics, 131.


[29]  Die Herrschaft des Herakleios fiel in die Jahre 610-641.


[30] Was der Spitzname „ὁ κατὰ ἄνθρωπον“ genau meint, ist etwas unklar. Einiges deutet darauf hin, dass es sich um eine Phrase handelt, die der Betreffende gerne verwendet. Ähnliches läßt sich für das andere Beispiel in M32 annehmen, wo eine Frau den Beinamen „τὰς ἀγαπάς“/ „die Lieben“ trägt.


[31] Seit Konstantin d. Großen verliehen die Kaiser den Titel Patricius (griech. Patrikios) der mit dem früheren Patriziat nur noch den Namen gemeinsam hatte, als vornehmsten personalen Rang an verdiente hohe Beamte und an Könige (NP s.v. Patricius) Vgl. M15.


[32] Zu den schwierigen Rechtssprechungsformen der Spätantike vgl. Turpin, William, Formula, cognitio, and proceedings extra ordinem, in: RIDA, 3. Série 46 (1999) 499-574. Crisafulli identifiziert den θεῖος δικαστής mit einem iudex pedaneus und beruft sich auf  PLRE 3B, s.v. Victor 1. Victor war „patricius“ und „iudex pedaneus“. Von den zwölf iudices pedanei (δικασταί oder διαιτηταί), die Justinian in Konstantinopel ernannte, waren acht Advokaten von nicht so hohem Rang, die vier übrigen aber waren sehr hochrangige Staatsminister mit großer Erfahrung (μείζους δικαστάς), die alle der Klasse der „Patricii“ angehörten. Diese Tatsache kann aber nicht belegen, dass es sich auch in diesem Fall um einen iudex pedaneus handelt, weil sich eine Verwendung von θεῖος in dieser Bedeutung nicht nachweisen läßt.


[33] Kirchendiener, die jeweils eine Woche lang als Platzeinweiser, Helfer und Assistenten ihren Dienst versahen. Ob sie zum Heiligtum gehörten, oder ehrenamtlich ihren Dienst verrichteten, bleibt offen.


[34] Der Gedanke liegt nahe, weil es sich um einen sehr wohlhabenden Gast handelt. Zur Grammatik vgl. Crisafulli z.St., 249f.


[35] Vgl. das Gitter in M15. In M25 werden wie in M15 „obere Gitter“ (τὸ κάγκελλον τὸ ἄνω) genannt  mit dem ausdrücklichen Zusatz, dass in der Nacht alles eingeschlossen war (πάντα ἠσφαλισμένα ἦν, cf. P-K 36,15).


[36] Den Brunnen mit dem Bildnis muß man sich vernünftigerweise außerhalb der Kirche, aber in der Nähe dieses Eingangs vorstellen.


[37] Zur Wortbedeutung vgl. 40.


[38] Der heilige Menas war ein Ägyptischer Märtyrer unter Diokletian und heilte ebenfalls Kranke durch Inkubation (großes Heiligtum in Abu Mina). Zu ihm würde der Schauspieler als Aegyter normalerweise gehen. An dieser Stelle ist gut zu beobachten, in welchem konkurrierenden Verhältnis die Heilstätten zu einander standen.


[39] Man muß sinnvollerweise annehmen, dass der Patient sich niedersetzte, um sein Geschäft zu verrichten, dessentwegen er ja um die Öffnung des Gitters gebeten hatte. Es war durchaus normal, sich während des Geschäfts auf der Latrine miteinander zu unterhalten (vgl. auch M35).


[40] Das griechische Wort ἐπιθέτης läßt sich im übertragenen Sinn als „Hochstapler“ übersetzen, wörtlich heißt es „der etwas draufsetzt/ hinzufügt“ – in diesem wörtlichen Sinn ist es hier gemeint. Vgl. Crisafulli z.St. 250.


[41] Artemius dux Aegypti (M17, belegt durch einen Papyrus mit Ratssitzungsprotokoll, datiert auf  den 11. 2. 360), Augustales (praefectus aegypti, M16, M17) und Patrikios (M15, belegt durch das israelische Synaxarium).

[42] S. Romanus (1. Oct.), zugenannt Melodus, war Diacon und Bekenner zu Konstantinopel. Zu Emesa in Syrien geboren, kam er zur Zeit des Kaisers Anastasius nach Konstantinopel als Bewacher der Kyruskirche. Einst bot ihm die seligste Jungfrau im Traume eine Papierrolle, daß er sie genieße. Er tat es und fühlte sich von dieser Zeit an dichterisch begabt. Die von ihm verfaßten geistlichen Gesänge sind tausend an der Zahl. Zugleich pflegte er den Kirchengesang bis an sein seliges Ende. Seinen Tod setzen die Boll. ins J. 500. Vollständiges Heiligen-Lexikon Bd. 5, S. 129f.

 

[43] s. M17.

 

[44] Das Fest des Heiligen Johannes „Prodromos“, des Täufers (und „Vorläufers“) ist am 24. Juni.

 

[45] S. Pantaleon (Pantaleemon), (27. Juli). Dieser hl. Märtyrer zu Nicomedia, der von den Griechen zu den Erzmärtyrern (Megalomartyr) gezählt wird, war kaiserlicher Leibarzt und wurde nach vielen Martern um das Jahr 305 enthauptet. Zu Constantinopel befand sich eine alte Kirche unter seinem Namen, die vom Kaiser Justinian wieder aufgebaut wurde. Man trug die heiligen Ueberreste in diese Stadt, wo man sie in hohen Ehren hielt. Er wird als Hauptpatron der Ärzte verehrt. Pantaleon, S. (1). Vollständiges Heiligen-Lexikon Bd. 4, S. 669f.

 

[46] Jemand, der in der Kirche die Psalmen (vor)singt, Kantor, Psalmensänger.

 

[47] Der Commentariensis war Kontrolleur und Registrator öffentlicher Papiere, z.B. – wie in diesem Fall wahrscheinlich – einer Gefangenenliste.  Das Amt des Secretarius war diesem offenbar übergeordnet. Wer Alexander von Perada war, ist unklar. Schon der Name wirft einige Probleme auf, denn wenn es sich bei „Peras“ oder den „Peraden“ um eine Ortsangabe handelt, ist ungeklärt, wo dieser Ort liegt. Im PLRE 3A s.v. Alexander 20 wird vermutet, dass Alexander praetor plebis war, also für die innere Sicherheit der Stadt verantwortlich war; das entspräche den Gegebenheiten in unserer Geschichte.

 

[48] Kallinikos I war von 693–705 Patriarch von Konstantinopel. Das passt zeitlich nicht mit der Angabe zusammen, dass sich die Geschichte zur Herrschaftszeit des Herakleios zutrug (bis 641).

 

[49] Das πραιτώριον ist auf mehreren Inschriften als Regierungsgebäude des Statthalters (Präfekten) belegt. Vgl. Preisigke, Fachwörter des öffentlichen Verwaltungsdienstes..., 144. In Konstantinopel beherbergte es gleichzeitig eines der wichtigsten Gefängnisse. Vgl. Oikonomidès, Listes, 320.

 

[50] ἐσημάδευσαν /ein Pfand geben, Hapax.

 

[51] τῆς τάξεως erklärt Magoulias, The Lives of the Saints as Sources of Data, 281, mit „Court officers“.

 

[52] Der griechische Text ist hier richtig zu lesen: σουβαδιούβας ὦν = lat. subadiuvans (est) = Untergehilfe/ Assistent.

 

[53] Diese Silbermünzen wurden von Kaiser Herakleios 615 eingeführt und wogen sechs „Gramm“.

 

[54] τὸ βράκιον - das Höschen.

 

[55] Dieser Satz ist etwas überraschend, da sonst solche Einleitungen fehlen und ist mit einigen anderen ungewöhnlichen Merkmalen, die dieses Wunder aufweist, vielleicht ein Indiz für eine spätere Zutat.

 

[56]

 

[57] ὁλόκλαστος - Einer, der sich alles gebrochen hat; Lampe kennt nur diesen Beleg.

 

[58] τὸ συκάμινον ist die Maulbeerfeige. Bei dieser Krankheit handelt es sich offenbar um eine Infektion, die häufig zur Jahreszeit der Maulbeerfeigen auftritt. (vgl. unten: τῳ καιρῷ τῶν σψκαμνίνων, P-K24, 27). Wahrscheinlich handelt es sich um Feigwarzen: (Condylomata acuminata): Deren Erreger mögen es feucht und warm und siedeln sich deshalb besonders in der After- und Geschlechtsgegend, aber auch in anderen Körperfalten an. Sie können auch unter den Bedingungen der modernen Medizin nicht restlos entfernt werden. Auch nach chirurgischem Eingriff  bleibt das Virus erhalten, kann übertragen werden und zu einer Neuinfektion führen. Noch heute enthalten medikamentöse Therapeutika eine ätzende Säure, die die Viren angreift, während Salz die infizierten Zellen abtötet.

 

[59] Die „Jahreszeit der Maulbeerfeigen“ führt offenbar zu einem Wachstum der Feigwarzen. Ob dies wegen größerer Wärme und Feuchtigkeit tatsächlich plausibel ist, läßt sich schwer sagen.

 

[60] Die „heiligste große Kirche“ ist die Hagia Sophia. Die „Blaue Partei“ ist eine jener Zirkusparteien (lat. factiones; auch: Stadionparteien), in denen ein Großteil der meist der Unterschicht angehörenden Bevölkerung Konstantinopels organisiert war. Sie erlangten politischen Einfluss, da sie das Volk über die Teilnahme an den Spielen, Theater und Wagenrennen im Hippodrom auch politisch und kirchenpolitisch mobilisieren bzw. instrumentalisieren konnten. Da seit dem 7. Jahrhundert fast nur noch in Konstantinopel Wagenrennen veranstaltet wurden, beschränkte sich der Einfluss der Zirkusparteien ab dieser Zeit auf die Hauptstadt. Es gab die Partei der „Blauen“ (βένετοι), der „Weißen“ (als kleineren Koalitionpartners), der „Grünen“ und der „Roten“, die im wesentlichen mit den städtischen Bezirken (Demen) identisch waren und durch einen Demarchen geführt wurden. Die Texte ihrer Gesänge, Lieder und Parolen „dichtete“ offenbar ein Mann wie Stephanos.

 

[61] τὸ σπάσμα (abgeleitet von σπάω – ziehen, reißen) bedeutet normalerweise „Krampf“. Hier kann es sich aufgrund der Krankengeschichte und der Behandlungsmethoden nur um eine Brucherkrankung handeln. Offenbar ist bei der Wortwahl an das innere Reißen des Gewebes gedacht.

 

[62] Hier ist vielleicht an das Rufen von Liedern und Parolen oder an das Anfeuern bei den Spielen gedacht.

 

[63] Der Tod des Herakleios war 641. Auffällig ist auch hier die abweichende Formulierung von M17.

 

[64] ἐπιτηρῶν μόνος λούσασθαι τοῖς πολλοῖς (HSS P.-K.) ταῖς πολλαῖς C. Die Aussage dürfte in etwa dem entsprechen, was wenige Zeilen weiter unten ausgeführt wird: der Patient versucht, ungesehen und zu ungewöhnlichen Stunden (im Dunkeln) sein Bad zu nehmen.

 

[65] Zu Lage und Datierung des SampsonHospitals in Konnstantinopel vgl. Miller, „The Sampson Hospital of Constantinople“, Byzantinische Forschungen 15 (1990), 105-108.

 

[66] Die Kauterisation (Verbrennung), die eine steinzeitliche?, nicht spezifisch griechische Therapieform darstellt, hielt sich bis in die römische Zeit und die chirurgische Tradition der Byzantiner, Araber und des Okzidents. Dabei gab es zwei Methoden der „Verbrennung“: zum einen eine unmittelbare Form, die mit glühend heißem Eisen durchgeführt wurde; zum anderen eine „kalte“ Methode (wie hier in diesem Beispiel), bei der durch Auflegen von Reiz-Substanzen die „Verbrennung“ erzielt wurde.

 

[67] Hier ist tatsächlich der terminus technicus verwendet: παραμεῖναι für „ausharren/ an der Inkubation teilnehmen“ (in gleicher Bedeutung auch προσκαρτερεῖν).

 

[68] Diese Therapieform begegnet öfter, z.B. M4.

 

[69] Die Indiktion (griech. ἐπινέμησις) bezieht sich auf einen 15-Jahreszyklus. Die hier genannte „zweite Indiktion“ läßt sich (da wir uns in der Zeit kurz nach dem Tod des Herakleios befinden) auf das Jahr von Sept. 643 bis Sept. 644 datieren.

 

[70] Als dioiketes (διοικητής) wurde seit dem späten 6. Jh der Anführer der Zirkusparteien bezeichnet (Cameron, Alan, Circus factions; Blues and Greens at Rome and Byzantium, Oxford: Clarendon Press, 1976, 258)

 

[71] τὴν ἐπιλεγομένην τὰ ᾿Ιορδάνου. Ob es sich, wie Crisafulli meint, um eine Stadtteilbezeichnung oder um einen Gebäudenamen (Palast o.ä.) oder etwas ganz anderes handelt, ist nicht festzustellen. Da aber ein Haus diesen Namen trägt, scheint mir das Verständnis als „quarter“ (Crisaf.259) eher unwahrscheinlich. Es sei am Rand darauf hingewiesen, dass Crisafulli in der Paraphrase dieser Stelle (Commentary 259) entgegen seiner Deutung und Übersetzung im Haupttext die Formulierung „the house ‚of Iordanes‛“ verwendet.

 

[72] Gemeint sind vermutlich Halter oder Wachsfänger, die eine Fischform hatten.

 

[73] Dieses Gebäude (?) wird nur hier erwähnt.

 

[74] Ein halber Follis ist ein 576stel eines Solidus (Hapax).

 

[75] Das Bad und der Stadtteil liegen offenbar weit entfernt von dem Wohnort des Kranken. Es fällt auf, dass die Namen in diesem Wunder auf Orte im Heiligen Land anspielen (Jordanshäuser, Libanon)