Kosmas und Damian

M 4 (Rupprecht)

Über den Bauern mit dem verfaulten Fuß[1]

(...) es war ein Bauer, der in allem ein ungeordnetes Leben hatte. Denn obwohl er im Gegenteil zu dem, was Salomon sagt „Jeder Faule ist in seinen Begierden (verhaftet)“,[2] nicht faul war, hielt er sich an verderbliche Praktiken und lebte mit Vergnügungssüchtigen zusammen. Was er aus der landwirtschaftlichen Arbeit erwirtschaftete, gab er für Huren aus und gab sich immerfort mit jenen unersättlich der Zügellosigkeit hin. Und er hatte keinerlei andere tugendhafte Handlungsweise, als Gott geübt zu erzürnen. Als er nun mit einer Hacke die Erde wie gewohnt umgrub, verletzte er sich sein rechtes Bein, weil er mit der Hacke einen nicht bemessenen Schlag gemacht hatte. Von seinen Mitarbeitern getragen, wurde er ins Haus gebracht und hingelegt, weil er meinte, nicht von mehr als dem Schlag geheilt werden zu müssen. Als es aber Nacht geworden war, schwoll die Wunde so groß an, dass sie sich an Fülle vom gesamten Körper abhob. Und mit Tagesanbruch rufen die Anwesenden einen Arzt, der, als er sieht, dass das Leiden nicht zufällig ist und auch so schnell verfault war, mahnend sagt: „Wenn du unter denen hienieden weilen willst und nicht augenblicklich sterben willst, mußt du mir gestatten, das kranke Bein zu amputieren. Denn wenn ich es nicht bald abschneide, wird sich das Leiden über den ganzen Körper ausgebreitet haben und auf schnellstem Weg den Tod herbeiführen.“ Nachdem der Arzt ihm solches angezeigt hatte, ging er fort, um das für die Amputation notwendige Gerät und das (Brenn-) Eisen zu besorgen. Wie nun dem Bauern all das Schlechte in den Sinn kam, als er sich selbst von seiner Entehrung zusammenzählte, begann er zu weinen und zu seufzen – und sagte: „Herr und Gott! Du allein kennst meine Sünden, dass sie nicht zu erzählen sind. Aber auch ich kenne dein Erbarmen, dass es deiner Großherzigkeit so gemäß ist, und dein Mitleid. Mein Leiden komme nicht in die Hände von Menschen, sondern du heile mich durch deine Diener Kosmas und Damian, denen du die Gnade der schmerzlosen Heilung schenkst.“ Als er mit diesen und ähnlichen Worten geklagt und zu Gott innig gebetet hatte, erschienen ihm um die Mitternacht die Heiligen in Gestalt von Ärzten und sprachen: „O Menschenkind, du konntest die für dich herbeigeführte Gnade der Erziehung nicht als einen kurzen Schmerz ertragen, wie willst du die für dich bereitete ewige Strafe bestehen? Doch wenn du dort und hier gerettet werden willst, so bereue und beschließe es mit uns durch einen Eid, dass du den Rest deines Lebens keusch verbringen und auch alle anderen Gesetze Gottes erfüllen wirst!“ Er aber schwor es mit Furcht und größter Freude und schloß den Vertrag, denn er erkannte, dass sie die Heiligen waren. Nun hoben sie den verwundeten Fuß in die Höhe und drückten den Eiter ganz heraus, reinigten sie und heilten die Wunde allein durch Berührung, so dass keinerlei Narbe an ihm zu erkennen war. Und sie sagten zu ihm: „Sieh, kein Übel ist mehr an deinem Körper. Heile du auch deine Seele!“ Und mit diesen Worten gingen sie von ihm fort. Am folgenden Tag stand der Bauer sehr früh auf und ging auf sein Feld, um das Gewohnte zu erledigen, voll Freude über die Rettung seiner Seele und seines Körpers. Er verbrachte nämlich den Rest seines Lebens mit den tugendhaftesten Handlungen. Als die Sonne aufgegangen war, kam der Arzt und brachte die Amputationsgeräte. Als er hörte, dass jener kein Übel mehr hatte, machte er sich auf den Weg zu dem Feld und wurde, weil er in der ganzen Gegend herumlief, zum Boten des Wunders. Er selbst und der Geheilte und alle, die von dem Geschehen hörten, lobten Gott, der seinen Heiligen eine solche Gnade gewährt.

 

M 8 (Rupprecht)

Über den mit der vertrockneten Hand (Wunder der Hirschkuh, keine Inkubation)

Darauf gab es einen Mann, der eine vertrocknete Hand hatte. Dessen Hand wurde an drei Fingern durch einen Krampf zusammengezogen und ließ dem Mann auch keine geringfügige Linderung, sondern der Schmerz der gespannten Nerven dieser rechten Hand quälte ihn bei Tag und Nacht, bis die drei Finger, wie ich sagte, gestorben waren. Kurze Zeit darauf machte die vertrocknete Hand auch nichts Natürliches mehr. Ein Beispiel dafür ist, dass allein die Hand wie tot geworden war. Dieser, weil er seine Hoffnungen mit Gott in die Heiligen Kosmas und Damian setzte, begab sich in deren Heiligtum und suchte dort, da er ans Bett gefesselt war, die Heiligen durch Bitten zu erweichen, zu jeder Stunde Heilung erwartend und gläubig ohne Unterlaß. Es gab aber eine Hirschkuh, die einmal von jemand gebracht und den Heiligen zugeteilt worden war und die zwischen den Patienten herumlief. Einmal nun kam die Hirschkuh mit der Zustimmung Gottes zu dem Bett, in dem der Mann mit der vertrockneten Hand lag, hingelaufen und begann, den herabhängenden Ärmel seines Mantels weg zu zerren und daran zu knabbern. Er verscheuchte sie mit Worten, weil er mit der Hand dazu nicht in der Lage war, und alle, die dort lagen und die ihnen zu Hilfe kamen, verscheuchten die Hirschkuh nicht, sondern lachten mit herzlicher Anteilnahme. Und als der Mann merkte, dass jene lachten und sie nicht verscheuchten, ärgerte er sich über sie und probierte gezwungenermaßen die vertrocknete Hand ein wenig zu schütteln, zugleich weinend und die Umstehenden tadelnd. Und als er so ein wenig begann zu scheuchen, wurde seine Hand wie die andere und die Rechte wieder Rechte, so wie Gott sie zuvor geschaffen hatte, und die Nerven taten schließlich wieder das, was ihnen von Natur aus zuträglich ist. So waren die, die zuvor gelacht hatten, von großer Furcht ergriffen, und sie und der Geheilte riefen zugleich und im Einklang „Herr, erbarme dich“ und sandten ihren Lobpreis hinauf zu Gott, der seinen Heiligen eine solche Gnade geschenkt hat.

 

M 10 (Rupprecht)

Über den klugen Stephanos

Darauf gab es einen gewissen Stephanos, einen klugen und beredten Mann, der jegliche Bildung genossen hatte. Mit Beinamen wurde er Tarseus der Redner genannt, denn er war in den Büchern der alten Philosophen bewandert,  weswegen er auch selbst heidnische Bücher verfaßte. Viele, die von dem Ruf des Mannes angezogen wurden, kamen zu ihm, um sich unterrichten zu lassen. Diesen befiel eine verderbliche Krankheit, die ihn sehr schnell erblinden ließ: als er nämlich seine Augen öffnete, sah er nichts mehr. Und alle, die durch ihn im Dunkel herumirrten, sahen zwar die Sonne, erkannten aber, wie sie sagten, überhaupt nichts und hielten dessen Blindheit allesamt für eine gemeinsame Strafe. Was soll man viel reden? Er gelangte in den Hafen des Heils, ich meine das Heiligtum von Kosmas und Damian, den Heiligen, und verbrachte dort seine Zeit. Im fünften Jahr erschienen ihm die Heiligen und gaben ihm die Heilung und sagten ihm, dass seine Augen mit einem medizinischen (Brenn-) eisen gestochen werden müßten. Und als er sich aus dem Schlaf erhebt, sagt er den Ärzten das Befohlene. Sie stechen ihm folglich die Stellen, die jene an den Augen kannten, während er innen im Arztzimmer der ehrwürdigen Stätte saß. Und kurz darauf hob sich die Dunkelheit von seinen Augen und der schon seit langem Kurzsichtige wurde scharf sehend. Und ein lobpreisendes Büchlein verfaßte er für die Heiligen, worin er die Ehre Gottes pries, der seine Heiligen mit einer solche Gnade gesegnet hat.

 

M 12 (Rupprecht)

Über (den frommen Mann mit dem Krebsgeschwür)

(Darauf kam einer) ... der nicht log, nicht schwor und sozusagen überhaupt niemals ausglitt. Auf die feste Stütze des Glaubens gänzlich gegründet, nahm er jedes Mal an den Gottesdiensten teil. Dieser stürzte in ein furchtbares Leiden, denn er erkrankte in der Mitte seiner Schamglieder. Die Eichel an seinen Genitalien bildete nämlich inzwischen ein Geschwür aus, ein sogenanntes Krebsgeschwür. So rasch griff das Leiden um sich, dass auch Würmer sich einnisteten. Er selbst blieb standhaft und ertrug das Leiden und gelobte sich selbst, keinem menschlichen Arzt je sein Leiden zu zeigen. In die Heiligen Kosmas und Damian aber setzte er seine Hoffnungen. Als die Freunde ihn angesichts des täglich wachsenden Leides drängten, den Ärzten das Leiden zu zeigen, sagte er, dass er zwei Ärzte habe, die in der Arztkunst durchaus erfahren seien, und meinte damit andeutend die Heiligen. Und die einen drängten ihn immer noch, weil sie nicht wußten, was er jenen gesagt hatte, und er sagte diesen wieder, dass er zwei Ärzte habe. Weil er schließlich immer wieder solche Worte gebrauchte, nahmen endlich die Heiligen seinen Glauben an, weil er ja, trotz des wachsenden Leidens, die menschliche Arztkunst abgelehnt und allein in ihre Heilkunst seine Hoffnung gesetzt hatte. So kamen sie nachts und sprachen freundlich zu ihm: „Kind, weil du erwartet hast, von dem Leiden befreit zu werden, wirst du geheilt werden.“ Aus dem Schlaf erwacht, betrachtete er sich und fand, dass sein Leiden Heilung erlangt hatte, ohne Umschweife vertrieben durch die Gnade der Heiligen, und er hatte auch keine Narbe des Geschwürs an sich und war gesund gerade wie zuvor. Er wußte aber, dass jene, die zu ihm gekommen waren, die Heiligen Kosmas und Damian gewesen waren und dass die Heilung seiner Krankheit durch sie geschehen war. Ihnen gab er den Dank, noch mehr aber Christus, der jene mit der Gnade gesegnet hatte.

 

M 15 (Rupprecht)

Über die wassersüchtige Frau

Darauf gab es eine Frau, die an einer schlimmen Krankheit erkrankt war. Denn vom Wasserleiden befallen, hatte sie einen riesig aufgequollenen Bauch. Diese suchte das rettende Heiligtum der Heiligen Kosmas und Damian auf, die mit Leichtigkeit schwierige Leiden heilen. Nachdem sie sich dort niedergelegt hatte, bat sie diese, dass sie Heilung erlange. Die Heiligen erschienen und sagten zu ihr: „Wenn du Heilung erlangen willst, bleibe hier, und weiche nicht eher von der Stelle, als bis du Heilung erlangst.“ Sie blieb nun einige Tage an dem ehrwürdigen Ort, da aber ein neidvoller Dämon ihre Gedanken bedrängte, ging sie wieder nach Hause. Als aber die Krankheit sich zum Schlechteren auswuchs und ihr Bauch noch mehr aufgequollen war, nahm sie ihre gute Gesinnung wieder auf und ging wieder in die Kirche der Wohltäter, denn es war des Stärkeren Wille, dass sie gerettet werde, und wieder flehte sie die Heiligen an, dass sie Heilung erlange. Das Ödem auf ihrem Bauch war furchtbar anzusehen. Bei jeglicher Speise verabscheute sie das Essen, weinte und stöhnte, weil sie glaubte, der Tod sei nahe. Sie verbrachte weitere vier Monate in der göttlichen Kirche, und kaum von einer Toten unterschied sich die Arme. Am ersten Juli nach römischem Kalender, an dem das Fest der Heiligen stattfindet, trat einer der Geistlichen der göttlichen Kirche hinzu und erkundigte sich bei der Dienerin der Wassersüchtigen, wie es denn der Kranken gehe. Und jene antwortete: „Heute sah ich vor Tagesanbruch in meinen Träumen, wie aus dem gegenüber dem Eingang aufgehängten (Relief-)Bild, das ausgemeißelt ist und an beiden Seiten die Abbilder von Kosmas und Damian trägt, zwischen ihnen die jungfräuliche Gottesmutter, einer der beiden heraustrat, in einer großen Runde auf die Unglückliche zukam (wie es auch auf dem besagten Bild geschrieben steht), seine Hand unter die Kleider der Frau legte und Bauch und Kehle der Wassersüchtigen berührte. Und ich, weil ich vergessen hatte, wie er aus dem Bild herabgekommen war, nahm an, es sei irgendein Mönch oder einer der Diakone, der aus einem schändlichen Grund die Kranke mit der Hand berührte, und sprach zu ihm: ‚Du handelst nicht gut, der du Kleidung trägst, die Blöße und die Glieder dieser so kranken Frau zu berühren.‛ Und er sagt zu mir: ‚Nicht aus dem Grund, den du annimmst, berühre ich sie.‛ Ich entgegnete: ‚Du kamst, wie du siehst, um sie in ihrer Krankheit unglücklich zu machen und nicht sie abzuwehren.‛ Und er sagt mir: ‚Wisse genau, von diesem Tag an bis zum elften, an dem das heilige Fest der Märtyrerin Euphemia gefeiert wird, in diesen zehn Tagen wird allmählich das Leiden aufhören, und es tritt endgültige Heilung von der Krankheit ein!‛ Und gemäß der Erzählung der Dienerin wich von jenem Tag an die Krankheit des aufgedunsenen Bauches jeden Tag ein wenig zurück. Als aber der versprochene Tag erreicht war, war das Leiden ganz vertrieben, und sie erhielt endgültig die Heilung. Folglich sei den Heiligen Dank, mehr noch aber dem, der ihnen die Macht dazu verlieh, Christus, dem Herrn und Gott.

 

M16 (Rupprecht)

Über den anderen Lahmen

Darauf bekam ein armer Mann, der immerzu über die Übermacht seiner Armut betrübt war, noch ein weiteres Leiden, indem er von einer Auflösung seiner Glieder betroffen wurde. Und durch die Notwendigkeit der Armut getrieben, schleppte er sich auf dem Unterleib vor jedermanns Tür, um für seinen Lebensunterhalt zu sorgen. Als er die Kirche der Heiligen Kosmas und Damian erreichte, die in der Kirche Wohltaten schenken, blieb er im Narthex der Stätte liegen, weil er zu große Schmerzen hatte. Darauf sah er im Traum, wie die Heiligen zu ihm sagten: „Wenn du Heilung von deinem Leiden erlangen willst, zeige dich nicht gleichgültig gegenüber deiner Krankheit, sondern trage sie standhaft und erwarte den Tag, an dem du das Versprechen empfängst.“ Als sie ihm wiederum ein zweites Mal erschienen, gaben sie ihm einen Stab und sagten freundlich: „Indem du dich darauf stützt, trainiere, deine Beine zu bewegen, und bewege auch immer die Hände.“ Als er sich von dem Schlaf erhob, fand er den besagten Stab, der auf seiner eigenen Matte lag. Und sogleich voll Vertrauen machte er, was ihm aufgetragen war, und bald wurde die Stellung seiner Glieder zusammengezogen, wie sie Gott, der Schöpfer, geschaffen hatte. Und er schritt gesund einher, gab Gott die Ehre und dankte seinen Heiligen.

 

M20 (Rupprecht)

Über den Blutspuckenden

Darauf erhielt Menas, ein Arzt, der in der Arztkunst äußerst erfahren war, ein vorbildlicher Mann und Kenner seiner Wissenschaft, eine Probe der Krankheiten, indem er selbst von einer schweren Krankheit befallen wurde. Er spuckte nämlich immerzu Blut. Und obwohl er alle Kunst an sich erprobte und Medikamente einnahm, nützte es ihm nichts. Die Künste Galens und die Methoden des Hippokrates halfen dem Arzt Menas nicht, der von der Krankheit überwältigt war. Und weil das Leiden bei ihm von Tag zu Tag zunahm, floh er schließlich zu den in Heilungen unfehlbaren Ärzten Kosmas und Damian. Als er ihr Heiligtum erreichte, welches in Blachernai liegt, zeichnete er auf einem Bild eine Skizze von dem Leiden, das er in sich hatte, und bat darauf, Heilung zu erlangen. Dies weihte er den Heiligen und wartete auf die Heilung durch sie. Nach kurzer Zeit erschienen ihm die Heiligen und sagten folgendes: „Iß das sogenannte Chidron (ein Weizenbreigericht) und streiche den Rücken mit heißem Öl ein. Und kühle während der Krankheit nicht aus! Wenn du nämlich das von uns dir Aufgetragene machst, wirst du schon bald von der Krankheit befreit sein.“ Er tat nun, wie ihm aufgetragen war, und war bald geheilt. Als ein anderer an derselben Krankheit erkrankte und dieselbe Therapie anwendete, die Menas aufgetragen worden war, wurde auch er von der Krankheit befreit. Für alles aber sei Dank den Heiligen, noch mehr aber Gott.

 

M27 (Rupprecht)

Über den Augenleidenden

Darauf erkrankte ein Mann an einer Augenkrankheit. Dieses Leiden seiner Augen war so geartet, dass er nichts weiter sehen konnte, als nur mehr die Schatten der Menschen. Die Menschen selbst aber sah er wie Bäume. Er saß nun die ganze Zeit da, hielt sich den Kopf und klagte mit lauter Stimme sein Unglück, so dass er jeden zum Mitleid bewegte; denn er schmolz dahin in Angst vor der Blindheit. Weil sein Leiden so groß war, wagte er es nicht, sich der Kunst der Ärzte zu unterziehen, und ging zu den Heiligen Kosmas und Damian, die die unvergängliche Quelle der Heilmittel innehaben, zu den weisesten Ärzten. Und ausharrend im heiligsten inneren Raum der Kirche, flehte er sie an, dass er Heilung erlange. Und er bestrich sich mit der Wachssalbe von dieser Stätte die Augen. Und obwohl seine Augen brannten, harrte er aus, und Wasser floß aus seinem Mund und seiner Nase. Nach kurzer Zeit blickte er geheilt auf und ihm fehlte nichts an seinem Augenlicht. Für all das also muß man die Heiligen preisen, zuerst aber Christus, der die Menschen liebt.

 

(Serie III)

Weitere Wundertaten der Heiligen Anargyroi Kosmas und Damian

Vorrede

Danken müssen wir Menschen alle Gott und seinen heiligen Dienern Kosmas und Damian, am meisten die, welche Zuflucht suchten in Bedrängnissen und Heilung erlangten; denn wahrhaft groß, ja groß sind die von den Heiligen an uns vollbrachten Wunder an jedem einzelnen Tag, und sie überschreiten alle Vernunft, weil sie ihre Wirkung von oben her besitzen. Daher muß auch jeder Mensch angesichts der Menge und überragenden Größe für das schriftliche Zeugnis um Entschuldigung bitten, denn jegliche Macht der Worte unterliegt und gerät ins Schleudern, wenn sie auf deren Höhe blickt, so wie das schwache Auge den Strahl der Sonne nicht erträgt. Ja, welche ihrer Wunder vermöchte man nur auszusprechen?  Die jetzigen, die früheren, die an jedem einzelnen Tag, die, die man in viele zusammenfaßt, jene, die am einzelnen geschehen sind, die hiesigen oder die fernen? Die Meeresflut zu messen oder Sterne zu zählen müßte meinen, wer es bei allen versuchte. Da es nun unmöglich ist, die Wunder alle genau durchzugehen, will ich versuchen, es bei denen, die mir möglich sind, zu unternehmen. Denn das Mögliche ist edel und der Nachsicht würdig. Und all die, die von uns selbst aufzuschreiben wir uns nicht bemüht haben, will aber ich, verständigster Florenius, eingedenk Eurer Bitten, für uns aufschreiben, denn noch sind wir gefangen in der Krankheit und verlangen danach, die Wohnstatt der Heiligen zu erreichen. Denn Ihr habt darauf gedrungen, dass wir voranschreiten, die Wundertaten der Heiligen aufzuschreiben und Euch zu senden. Indem wir nun Eure jetzigen Bitten erfüllen, schreiben wir auf, was wir gesehen und gehört haben,[3] als wir in ihrem ruhmvollen Haus weilten, und indem wir Euch einen Anhaltspunkt aus dem wenigen heraus geben, lassen sich alle Wunder sozusagen ableiten. Denn Ihr könnt wie vom Saum eines Kleides her die ganze Höhe erfassen. Wenn nämlich das ganze Volk dort zusammenlief bei den gewohnheitsmäßig stattfindenden Nachtwachen zum Anbruch der Woche, erzählten jene, die von ihnen Heilung erlangt hatten, wie es ihnen geschehen war, und es war wahrhaftig eine Freude und Inbrunst in solchen Geschichten, dass ein jeder das Erzählte eher zu sehen als zu hören meinte.

 

W21 (=W33 Rupprecht)

Über den Magenleidenden

Zuerst erzählte ein edler und ehrbarer Mann, der in Hingabe zu Gott lebte und zu den Heiligen seine Zuflucht nahm, dass ihn von Kindheit an eine Schwäche des Magens und des Herzens plagte. Solange er im Kindesalter war, bemerkte er zwar die Beschwerden nicht so stark, jedoch als er heranwuchs, sah er, dass die Krankheit mit ihm mitgewachsen und zur Reife gelangt war. Als er schließlich zum Mann geworden war, erduldete er noch heftigere und schlimmere Beschwerden, so dass er sich hin und her wälzte, sich hinwarf und schrie, weil er die Schmerzen nicht ertragen konnte, sondern das Los der Wahnsinnigen zu erleiden schien. Und das noch viel Schlimmere war, dass das Krankheitsbild nicht diagnostizierbar war und sich zu sich selbst entgegengesetzt verhielt: denn das, was einmal half, schädigte, wenn es beim zweiten Mal angewandt wurde, und was zuvor schadete, brachte wiederum Erleichterung. Zum Beispiel befreite die Einnahme von Speise den Mann von den Beschwerden, ein andermal aber verschlimmerte sie die Krankheit. Das Bad war jetzt widrig, ein andermal nutzte es viel, und er konnte keine Beobachtung über den richtigen Zeitpunkt anstellen.

Weil aber die Krankheit ihn schließlich bezwang und ihn allmählich in den Tod schickte, lenkte der Mann seine Gesinnung in die richtige Richtung und lief in die Wohnstatt der Heiligen. Seinen Aufenthalt hatte er in dem sogenannten Katechumenion,[4] nachts aber schlief er nahe bei dem heiligen Altarraum. Als er nun einige Tage dort verbracht hatte und der Heiligen nicht ansichtig geworden war, wollte er wieder fortgehen und sagte, dass er des Besuches der Heiligen nicht würdig gewesen sei. Die Lasttiere, sprach er, mögen kommen, um ihn abzuholen; es traf sich aber, dass diese zu langsam kamen. Weil nun aber die Zeit einen Aufbruch nicht erlaubte, blieb er diese Nacht noch in der heiligen Wohnstatt und sieht, wie jemand zu ihm sagt, dass er bis zum Sonntag bleiben solle. Es war nämlich der fünfte Tag (Donnerstag), als er das Traumbild sah. So blieb er nun und schlief nach der Gewohnheit beim heiligen Altarraum; da sieht er, wie einer der beiden Heiligen aus dem Altarraum heraustritt und ihn zwar anschaut, aber überhaupt nichts sagt, sondern von dem sogenannten Kanal[5] bis auf das Rund des Ambo geht, sich dann nach kurzer Zeit umwendet und in den Altarraum zurückkehrt. Als der Mann den Heiligen in den Altarraum hineingehen sah, ohne dass er etwas zu ihm gesagt hatte, wagte er, mit ihm zusammen in den heiligen Altarraum hineinzugehen, und bat darum, Heilung zu erlangen. Der ruhmvolle Diener Christi hielt in seiner Hand etwas wie ein nach Weihrauch duftendes Klümpchen[6] fest, schnitt ein kleines Stück davon ab und wollte es dem Mann geben; dann fügte er noch ein zweites Stück hinzu und weil er annahm, dass es nicht genüge, fügte er noch ein drittes hinzu, gab ihm noch mehr und sagte: „Nimm das und gib es auf die leidende Stelle, und du wirst von dem Leiden befreit sein.“ Dieser nahm es, tat, was ihm aufgetragen war, und war sofort von der Krankheit befreit. Danach aber sah er den Heiligen wieder im Traum, verkündete ihm die zuteilgewordene Gesundheit und forderte ihn auf, dass er nie wieder in die Krankheit zurückfallen möge. Der Diener Christi sprach also zu ihm: „Endgültig bist du von ihr befreit, sofern du niemals Hülsenfrüchte zu dir nimmst.“ Der Mann ergriff die Hand des Heiligen und führte sie an den Körperteil, wo zuvor die Krankheit ihn gepeinigt hatte, und bekreuzigte die Stelle mit der Hand des Heiligen dreimal, und so ließ er den Diener Christi los und vertraute dem Wort seiner Gnade. Dann sagte er noch, dass auch sein Unterkiefer seit langer Zeit leidend sei und bat, dass er geheilt werde. Der Heilige zu ihm: „Dies ist verhärtet! Weshalb bittest du auch erst jetzt darum?! Es sei denn, du willst, dass ich dir die Stelle brenne.“ Als er antwortet, „wie du befiehlst“, sagt der Heilige zu ihm: „Laß es bei deinem Unterkiefer so, wie es von Natur aus ist.“ Und glaube du nicht, der Heilige habe dies nur gesagt, weil er unfähig war, das Leiden zu heilen, (nein), er hielt es für den Mann von größerem Nutzen, dass er einen kleinen Schmerz verspüre und (damit) so etwas wie einen Zügel besitze gegen den Drang, der zum Schlechteren führt.

Dankbar war, obwohl er die zweite Bitte nicht erfüllt bekam, dennoch er, der die Erfüllung der ersten genoss, und noch lange Zeit begibt er sich an den Ort der Heiligen.

 

W33 (Rupprecht) = W21 (Deubner)

Über den Milzkranken

Danach (sprach) ein Mann, der in seiner Lebensführung ehrenwert war, aus edlem Geblüt stammte und sich großen Reichtums erfreute, der war von Kindheit an milzkrank. Als er noch ein kleines Kind war, wollte er keinem der Ärzte, die das Leiden nicht bemerkten, sein Leiden zeigen, und auch den nahen Angehörigen nicht, als er aber herangewachsen war, bereitete ihm das Leiden nicht gerade maßvolle Qualen und sein physischer Zustand war zu keiner Tätigkeit imstande, denn bei allem ließ ihn seine Physis ihm Stich. Nicht Lauf noch Reise unternahm er, weil er nicht frei atmen konnte. Zu den Bädern (Sportstätten; s.App. bei Rupprecht) gelangte er nicht, sondern, sobald er gehen wollte, bewegte er sich mit Erstickungsanfällen fast kriechend vorwärts, sobald er aber ausruhte, schlief er rücklings mit Atemnot. Er begehrte schädliche Getreidespeisen und aß von diesen, kaum waren sie ihm vorgesetzt. Immer wenn er eine unmäßige Menge Wasser trank, hatte er einen stoßartigen Atem. Denn zugleich mit dem (Ein-)Atmen bewegte sich sein Körper. Als die Ärzte erkannten, dass es so um ihn bestellt war, versprachen sie ihm bereitwillig die schnellste Behandlung, ließen ihn viele Male zur Ader, gaben ihm genauso oft zu Trinken und nützten ihm doch ganz und gar nicht. Denn sein Bauch, der wegen der langen Zeit, die er die Krankheit erduldete, ausgedörrt war, unterschied sich sozusagen nicht mehr von einem Stein. Als der Leib des Unglücklichen die wechselnden Behandlungen der Ärzte nicht mehr ertragen konnte, geriet er in eine große Mattigkeit, und weil er schließlich den Tod nahe glaubte, widersagte er den Ärzten und setzte seine ganze Hoffnung auf die Heiligen Kosmas und Damian und flüchtete sich in ihr Heiligtum.

Dort legte er sich nieder, brachte sich selbst im sogenannten Narthex unter und flehte mit Bitten und Tränen die Heiligen an, Heilung zu erlangen. Während der Nächte ging er nach drinnen (in die Kirche) und lagerte sich an den Gittern des heiligen Altarraums, die Heiligen bittend, geheilt zu werden. Nachdem er dort in dieser Weise einige Tage verbracht hatte, wollte er schließlich wieder nach Hause laufen, weil er bei sich selbst die Überlegung anstellte, dass er den Besuch der Heiligen nicht erlangt habe, sondern, so sagte er, wohl eher unwürdig sei des dortigen Aufenthaltes weil er ein Sünder sei und – weil ein übler Dämon ihn unterwerfe – dies wisse und auch sage. Also sandte er Diener zu seiner Herde, um ihm ein Lasttier zu bringen, das ihn nach Hause brächte. Da sie ihn aber nicht pünktlich erreichten, blieb er wieder in der göttlichen Kirche der Heiligen und schlief wie gewohnt an den Gittern des Altarraums. Und er hörte, wie jemand im Traum zu ihm sagte: „Du sollst noch bis zum Sonntag bleiben!“ Es war nämlich am fünften Tag der Woche (Donnerstag). Und erwacht blieb er bis zum Sonntag, wie ihm aufgetragen war.

In dieser Nacht aber, als er wieder wie gewohnt nahe beim Altarraum ruhte, kam einer der Heiligen aus seinem Eingang des Altarraumes heraus, bemerkte ihn und ging wieder hinein, ohne ihn angesprochen zu haben. Er aber dachte bei sich, warum er verstummt war ohne ihn angesprochen zu haben, da kam der andere Heilige aus demselben Eingang heraus, und mit einem Verharren der Augen betrachtete er ihn, umrundete den Ambo und ging hinein, wieder ohne ihn anzusprechen. Da sprang der Mensch mit wagemutigem Sinn auf, folgte ihm, trat ein und bat sofort auf Knien, der Heilung teilhaftig zu werden. Der Heilige aber hielt in den Händen einen Klumpen von zusammengepresstem Duftstoff, und nachdem er davon ein wenig abgerieben hatte, wollte er es dem Mann geben, und weil das nicht reichte, nahm der andere Heilige das Stück Duftstoff, brach ein kleines Stück heraus und gab es ihm noch dazu. Das aber gewährten beide Heilige dem Mann und sagten zu ihm: „Dies streiche bald auf deinen Magen und die Speiseröhre und du wirst sehen, was an dir geschieht.“ Als der Mensch sich nun aus dem Schlaf aufrichtete, nahm er das Heilmittel, das ihm gegeben worden war und strich sich damit wie befohlen ein. Nachdem zwei Tage vergangen waren, wurde er gesund, sein Körper hatte absolut nichts von dem Leiden mehr in sich.

Als er nun soviel Nahrung zu sich nahm, dass es schadete, nahm die Krankheit wieder Kraft auf und hatte mehr Kraft, als sie zuvor gehabt hatte. Er legte sich nun wieder an demselben Ort nahe des Eingangs zum Altarraum nieder, da traten erneut die Heiligen Kosmas und Damian hinzu, der eine am Kopfende, der andere bei den Füßen. Und als der Mensch sie bemerkte, sprang er wieder auf und flehte sie an, ihn zu berühren, damit das Leiden ihn nie wieder befalle. Sie bekreuzigten ihn mit dem Zeichen des Kreuzes Christi und sagten zu ihm: „Du wirst solange kein Übel mehr von diesem Leiden haben, solange du dich jedes Verzehrs von Hülsenfrüchten enthältst, dein ganzes Leben lang.“ Und weil er es so beachtete, verbrachte der Mensch sein Leben in diesem Punkt gesund.

Nach einer Zeit von drei Jahren aber entstand noch ein Leiden an seinem Unterkiefer. Der bereitete ihm zwar überhaupt keine Schmerzen, war aber ganz verhärtet und wie versteinert. Er suchte wieder den Bezirk der Heiligen auf und verharrte sie bittend, dass er auch von dieser Krankheit geheilt werde. Und als sie ihm in der dritten Nacht erschienen, sagten sie zu ihm: „Wenn du auch von diesem Leiden durch uns geheilt werden willst, so sollst du wissen, dass es des Kauters (des Brenneisens) bedarf.“ Da sagte jener: „Wie Ihr befehlt! Heilt mich nur, wie Ihr es wollt.“ Sie sagen zu ihm: „Dieses Leiden ist dir von Gott entstanden zur Lehre für die Rettung deiner Seele. Da du es nun hast, richte dich selbst auf! Denn siehe, du erlöst dich von dem Schmerz und der Folter durch uns. Halte dich also fern von Lügen und von jedem Eidschwur und du wirst dich von dem Leiden des Körpers erholen und das Heil deiner Seele wieder besitzen.“ Voll Freude reiste der Mensch nun ab und obwohl er von den Schmerzen nichts spürte, war er in zwei Monaten von dem Leiden keineswegs erlöst. Nach dieser Zeit besuchten ihn des Nachts die Heiligen während er schlief und strichen ihm, ohne dass er es merkte, den Unterkiefer mit Wachssalbe ein. Als sich der Mann aus dem Schlaf aufrichtete, fand er den Kiefer eingesalbt. Und schon bald verschwand das Leiden, als wäre es nie an ihm gewesen. Er aber lief selbst eilends in die Kirche der Heiligen und erzählte allen, was ihm von den Heiligen aufgetragen worden war, und die an ihm geschehene Rettung der Seele und des Körpers. Und er spendete Dank dafür den Heiligen, Kosmas und Damian, mehr noch aber Christus, der die Heilungen durch sie bewirkt, weil er allein Gott ist.

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[1] Der Lasterhafte wird erst gescholten, seine Heilung bedarf seiner Reue und der medizinischen Behandlung und wird dann durch Berührung geheilt.

[2] Pr 13,4.

[3] ἅπερ ἑωράκαμεν καὶ ἀκηκόαμεν, 1.Joh. 1

[4] Mit Katechoumenion ist das Haus für die Taufbewerber gemeint.

[5] Was mit diesem Kanal gemeint ist, ist noch unklar, läßt sich aber eventuell nach Lektüre aller Wunder klären.

[6] Ursprünglich wurde nur das Sekret aus einer Drüse des Moschushirsches "Moschus" genannt. Bereits im Altertum war Moschus über die Vermittlung durch die Perser bekannt; Moschushirsche lebten an den Ostgrenzen ihres Reiches.