ΣΩΦΡΟΝΙΟΥ ΜΟΝΑΧΟΥ ΤΟΥ ΣΟΦΙΣΤΟΥ ΔΙΗΓΗΣΙΣ ΘΑΥΜΑΤΩΝ ΤΩΝ ΑΓΙΩΝ ΚΥΡΟΥ ΚΑΙ ΙΩΑΝΝΟΥ ΤΩΝ ΣΟΦΩΝ ΑΝΑΡΓΥΡΩΝ

I Über Ammónios, den Eintreiber der octava[1], der um den Nacken Schweineschwellungen hatte.

1 [Es ist angemessen, die in Alexandria vollbrachten Wunder voranzustellen, da dort das Martyrium der Heiligen stattgefunden hat und ihr ehrwürdiges Heiligtum aufgebaut ist; des Weiteren gilt es, die Alexandriner nicht zu kränken, indem zu Beginn andere Wunder genannt werden, sondern sie würdig zu behandeln, denn ihre Stadt ist groß und schön und liebenswert. Ein solch illustres Stadtvolk bietet mit seinem Zeugnis hohe Gewähr für die Glaubwürdigkeit der folgenden Erzählungen.]

2 Folglich möge Ammónios die Wunder für uns einleiten, da er selbst zu den Eliten der Stadt gehörte, hervorstechend in seinen Reichtümern und stolz auf den tüchtigen Vater. Jener [= der Vater] verwaltete nämlich für etliche Jahre die Kirchengemeinde der Alexandriner, während Evlogios der Hervorragende tatkräftig das Patriarchenamt ausübte[2]. Dieser [= der Sohn] führte das Amt der octava (diese Steuer macht ein Achtel aus und wurde zu Unrecht eingetrieben, jedoch in Billigkeit verwaltet) vor seiner Abschaffung[3].

3 Dieser Ammónios also hatte, noch jung und in physischer Schönheit ein Kleinod unter den Scharen der Jugendlichen, ein schweres Leiden am Nacken; die Ärzte nennen das, was dieses Leiden verursacht, treffenderweise Schweineschwellungen[4], da sie solchen Tieren ähneln und die Nacken dieser bejammernswerten Menschen zu neuartigen Säuen umgestalten. Diese umspannten zuerst den Nacken des Jungen und, als wüchsen sie im Unterleib einer Mutter, drückten sie mit ihren allmählichen Wachstumsschüben gegen den Nacken und zwangen ihn mit ihnen zusammenzuwachsen; so bereiteten sie dem Jungen ein gewaltiges Übel: Sie umschlossen und erstickten ihn durch die Hautspannung.

4 Der Vater aber lud die großartigen Ärzte ein, führte das Leiden des Jungen vor, flehte sie an, dem in Gefahr schwebenden Jungen zu helfen, und zahlte vor der Heilung einen tüchtigen Lohn für die Heilung. Diese versicherten Iulianós (so hieß der Vater) ihrer Hochachtung, schworen den Jungen noch mehr als ihn zu lieben und schworen, erfreut vom lockenden Lohn, feierlich, es sei ihre Pflicht die Krankheit zu heilen und kündigten an, die Heilung ob des Respekts und der Ehrerbietigkeit für den Vater und ob der Zuneigung für den Sohn zu verschaffen.

5 Dann, obwohl sie offenbar alles, was ihre Kunst zu bieten hat, in Bewegung setzten und die Sache — wenn man das behaupten kann — Höherem als der Kunst überantworteten, nutzten sie nichts; denn was den Jungen erlösen sollte, hielten <nur> die Märtyrer bereit. Der Vater nahm ihn also fort von den Ärzten und führte ihn den wahrhaften Ärzten Kírros und Ioánnis zu; er durchtränkte ihr ehrwürdiges Grab mit seinen Tränen und flehte sie an, dem Jungen zu Hilfe zu eilen und seinen Sohn nicht zu übersehen, den ein so gewaltiger Sturm erschütterte. Diese erhörten den Greis, verschmähten nicht die Gebetstränen und heilten den jungen Mann, befreiten ihn glänzend von diesem entsetzlichen Halsschmuck.

6 Doch täte ich, meine ich, Unrecht, wenn ich der Therapie nicht Erwähnung täte. Als sie nämlich sahen, wie hochmütig der junge Mann war und sich aus Dünkel ob seiner Reichtümer überhob, beseitigten sie die Erhebungen seines leiblichen Nackens[5], nachdem sie seine Seele ihrer Entzündung überhoben hatten; denn mehr als um die Heilung des Körpers sorgen sie für die Unversehrtheit der Seele.

7 Da sie nämlich sahen, dass Ammónios an Seele und Leib erkrankt war und an beiderlei Nacken litt, würdigten sie ihn der Heilung auf folgende Weise: Als Erstes ordneten sie ihm an, vor ihrem ehrwürdigen Grab zu kehren, auf dass er lerne, sich nicht über das Maß der Vernunft[6] zu überheben, um durch die Beugung nach unten und zur Erde zu lernen, woher er stamme und wohin er ein wenig später zurückkehren werde, also wie Gott zum Ersterschaffenen, Adam spricht: “Im Schweiß deines Angesichts sollst du dein Brot essen, bis daß du wieder zu Erde werdest, davon du genommen bist. Denn du bist Erde und sollst zu Erde werden[7].“ Und wie der hehre David zu Gott spricht:

     „Du nimmst weg ihren Odem,

     so vergehen sie und werden wieder zu Staub[8].“

8 Indem sie so den seelischen Tumor des Jungen zu verdorren zwangen und den Jungen selbst, zu lernen, wer er ist, richteten sie die Medizin gegen das Leiden des leiblichen Nackens, die Schweineschwellungen. Diese bestand in ihrem höchstwirksamen Wachspflaster[9], welches sie ihm, mit Brot vermischt, um den Nacken zu legen anordneten; und nachdem die Anordnung der Heiligen vollführt worden war, wurde der Junge allmählich des Leidens befreit; denn nur wenige Tage vermochten die Schweineschwellungen der Medizin zu widerstehen.

9 Daher entschwanden sie, kaum dass das Hilfsmittel auf sie gelegt worden war, derart geschwind, als peitsche oder jage sie jemand fort; unvermittelt rissen sie die sie umgebende Nackenhaut und fielen vor das Grabmal der Heiligen; siebenundsechzig waren sie an Zahl, wie diejenigen, die sie zählten, berichteten; diese ließen die Heiligtumspfleger über mehrere Tage vor dem Grabmal der Heiligen hängen, um die Macht der Märtyrer zu bekunden und alle zu Gotteslob zu bewegen. Ammónios nun, der gegen seine zweifache Erkrankung auch eine zweifache Heilung erhalten hatte, wurde gesund übergeben.

10 Da er nach einiger Zeit in seiner Gesinnung wieder überheblich wurde und die vorangegangene Lehre der Vergessenheit übergab, wurde er wieder durch körperliches Leiden gezüchtigt; und die Strafen der Märtyrer brachten ihm bessere Ansichten bei. Der Krankheit verfallen, schwebte nämlich sein Magen in Gefahr. Die Asklepiaden[10] benannten dieses Leiden Kolik und nicht <nur> einen Krankheitszustand des Magens, weil sie Unterschiede beim Vergleich des Schmerzgefühls feststellten und es stärker fanden als Magenschmerzen. Er war nun außer Stande etwas zu sich zu nehmen, was er nicht sofort wieder durch den Mund ausspie, da sein Bauch nicht vermochte, was durch den Magen in ihn kam, aufzunehmen; bedrängt durch die Verdrehung der Eingeweide und schärferen Peinigungen anheimgefallen, vertrug er nicht die Nahrung in sich, sondern spie sie, kaum unten angelangt, alsbald hinauf und aus dem Mund, weil der Bauch den Nahrungsfluss durch sich hindurch unterband.

11 [Alle Ärzte, nicht zuletzt die beredten Iatrosophisten[11], haben das Leiden erkannt, jedoch die Krankheit nicht diagnostizieren und heilen können; sie streben nur Lohn und Ruhm an.]

12 Daher, weil Ammónios ihnen das alles angemerkt und sich gar keinen Vorteil von ihnen verschafft hatte — außer von ihnen die dem Leiden entsprechende Krankheit zu erfahren sowie, dass sie zwar in der Rhetorik überraus gewandt sind, unfähig jedoch darin, tatkräftig zu heilen — zog er abermals fort zu Kírros und Ioánnis, in der Überzeugung, sie würden als einzige nach Gott seine Ärzte werden. Dadurch holte er sich alsbald seine Heilung — trug davon den Lohn des Glaubens an sie. Und, was den Magen anbelangt, bestand für ihn die kathartische Substanz in Öl und Wachs, die ihr Grab durch das Flammengeflimmer erglänzen lassen; und was den Dünkel der Seele angeht, so wendeten ihn die Märtyrer mit dem geeigneten Heilmittel um.

13 Sie kamen nämlich des Nachts zu Ammónios und befahlen ihm, die weichen und in üppiger Fülle hängenden Kleider abzulegen und ein raueres Gewand anzuziehen, dessen Gewebe aus rohem Hanf besteht und das Sack genannt wird, da seine Rauheit an die der Säcke heranreicht, und das so oft von Armen ob seiner Wohlfeilheit und Minderwertigkeit getragen wird. Nachdem sie ihm aufgetragen hatten, dieses Gewand statt des luxuriösen und üppigen anzuziehen, ordneten sie ihm an, für die kranken Brüder[12] das Trinkwasser auf den Schultern zu tragen; nicht nur ein Tongefäß sollte er tragen, sondern zwei — auf beiden Schultern — bürdeten sie ihm auf und kündigten ihm an, er werde nicht geheilt, ehe er selber den Befehl durchführe.

14 Als er die Anordnung der Heiligen erfüllte und das Wasser in dem besagten Gewand gebührend <für alle> schöpfte und trug, bekam er die Genesung, die auf eine solche Tat angekündigt worden war. Nachdem nun Ammónios auch dieser Krankheit entkommen war, pries er die Ärzte dieser Krankheit sowie die Vertreiber derjenigen Krankheit, die diese vorweggenommen hatte, hoch und entfernte sich. Nachdem wir nun ebenfalls den Heiligen den Lobpreis dargebracht haben (diese besitzen nämlich nach Gott die Eigenschaft, Ärzte dieser Leiden zu sein), wollen wir von anderen bewundernswerten Heilungen durch sie weitererzählen.

 

II. Über Teódoros, der in beiden Augen Leukome[13] hatte

1 Nun tritt nach Ammónios Teódoros zur Erzählung vor, da auch er selbiges Alexandria seine Heimatstadt nannte, sowie Reichtum gleichen Ausmaßes <wie Ammónios> und ein unbekümmertes Leben sein eigen — die höchste Selbständigkeit; und zur Krankheit nannte er den Verlust seines Augenlichtes sein eigen. Als nämlich die Augen befallen wurden und er die nötige Behandlung nicht bekam, trug er in beiden die verdunkelnden hellen Schleier.

2 Ihnen unterworfen und durch die Ärzte über ihre Unheilbarkeit aufgeklärt, erreichte er den umzäunten Bereich des Märtyrerheiligtums mit einer einzigen unverschmähten Hoffnung: dem bedingungslosen Glauben an sie und ihren Besuch, der den dergestalt Glaubenden zuteil wird.

3 Im ehrwürdigen Heiligtum der Märtyrer angekommen, trug er die Früchte des bedingungslosen Glaubens an sie davon. Nach nur sehr kurzem Aufenthalt darin, holte er sich nämlich Früchte, nicht über viele Jahre durch Landbau kultivierte, sondern in der Schlichtheit des Glaubens genährte. Ihn vergeltend, wiesen ihn die Heiligen an, hinaus zu Ihrer Quelle[14] zu gehen und das in ihr liegende Wasser zur Rückgewinnung des Augenlichtes zu verwenden.

4 Dieser ging, zum Befohlenen vollkommen bereitwillig, bei der Hand geleitet, hinaus an die Wasserrinne, und als er darin sein Angesicht netzte und mit einem Tuch abtrocknete, erblickte er wieder das Licht, indem er zusammen mit der Nässe des Wassers[15] auch die Leukome von den Augen abschüttelte. Diese nun, durch göttliche Macht von den Augen gespien und im Tuche liegend, zeigte er, hineineilend, allen, die sich im Bereich der Kirche befanden; womit er sich als Glaubensparadigma empfahl und die Größe der Heilung bekundete, die aus dem Glauben resultiert.

 

III Über Kalóss, der das Bein gebrochen hatte

1 Jemandes Füße, der würdigermaßen Kalóss hieß (denn er besaß die Erkenntnis, die einer solchen Anrede würdig war — auch seine Werke[16] folgten der Erkenntnis und der Anrede) verfingen sich beim Hinuntersteigen der Treppe — durch den Eifer des Teufels, welcher Gutes und Schönes verabscheut, sowie durch dessen gewaltigen Widerstand gegen das Gute;  dabei fiel dieser gewaltsam von großer Höhe zu Boden. Dadurch zerbrach er sich das Bein und schwebte in Gefahr, da sein Unterschenkelknochen in unzählige Stücke gebrochen war.

2 Doch als er merkte, dass der ärztliche Beistand gegen das Leiden nichts nutzte (die Beinknochen waren nämlich beinah geschwunden durch die allmählichen Verluste und Schrumpfungen, und durch den Eiterfluß war die Muskulatur mit verzehrt), suchte er Zuflucht in der Hilfe der Heiligen Kírros und Ioánnis, wobei er sich bitterste Vorwürfe machte, dass er den Heiligen die Ärzte vorgezogen hatte, und flehte sie inständig an, ihm die Vergebung dessen zuteil werden zu lassen und außer ihr ihm auch die Heilung zu gewähren.

3 Diese gewann er sich kraft seiner Anbetungen unverbrüchlichen Glaubens, als er auf Anweisung Öl aus dem Öllämpchen[17] auftrug und dadurch den Mangel der abgefallenen Knochen ausfüllte[18]. Nun, so war die Erzählung über Kalóss, so auch die Erwähnung des an ihm vollbrachten Wunders.

 

IV Über Issíddoros, der in der Lunge erkrankte[19]

1 Ich will auch über die Krankheit des Issíddoros und die überrationale Heilung dieser Krankheit erzählen. Issíddoros war Maiumiter, stammte nicht aus Maiumá im Land der Gazaer, sondern erkennbar aus Maiumá im Land der Alexandriner; dieses befand sich auf Fárros, der ehemaligen Insel[20], zählt heute jedoch, da die Insel mit der Stadt verbunden wurde, zu Alexandria, auch wenn der Ort bei der alten Bezeichnung des <Ortes> Majumá festgehalten hat[21].

2 Dieser Issíddoros war also in beschwerlichster Verfassung, da ihn die Lunge beträchtlich schwächte und ihm den Tod als Heilmittel seines Siechtums verhieß; denn wie sie verfaulte, spie er sie nach und nach, aufgelöst in Blut und Schleim, hinauf und wartete das hierdurch bedingte Ende ab, das immer und überall auf einen solchen Zustand der Lunge zu folgen pflegt.

3 Als sich Issíddoros in diesem Zustand sah und die Erfahrung machte, dass ihm keinerlei Hoffnung auf Rettung durch Menschenkraft verblieben war, zog er aus der Stadt und zu niemand anders als zu jenen allmächtigen Ärzten Kírros und Ioánnis, den Märtyrern; dabei hegte er den Glauben an sie, der Berge ans Meer versetzt und Tote aus dem Grabe erweckt; denn eine solche Macht hat ihnen der Erlöser übertragen, als Gegengabe für ihre Liebe zu ihm[22].

4 Dessen Glauben bewunderten die Märtyrer und erschienen ihm nicht im Traume, sondern im Wachen[23]; sie ordneten ihm nicht an, das eine oder das andere zu tun, sondern übergaben ihm den Teil einer Zitrone und ordneten ihm an, ihn zu essen. Dieser, in der Meinung, die Märtyrer gehörten zu den im Heiligtum Anwesenden, nahm die Gabe gerne an und, nachdem er sie empfangen hatte, begann er sie mit Freude zu essen. Doch während er noch am letzten Rest der <fast gänzlich> geschluckten Zitrone kaute, wurde er zum Erbrechen angeregt; und als er dies erlitt, erbrach er zusammen mit der Speise den die Lunge zerfressenden Wurm; indem er nun ihn auswarf, warf er mit ihm zusammen auch die Krankheit ab und empfing sofort die Genesung.

 

V Über den Krankenpfleger Mináss, der die Verstopfung hatte

1 Es ist nun an der Zeit, dass wir uns nach Issíddoros und der wundervollen Erzählung über ihn Mináss, den Krankenpfleger, ins Zentrum unserer Erzählung rücken, der einem Krankenhaus vorstand, welches sich in Richtung des Heiligtums[24] des hehren Andreas in Perónni[25] befand. Gewaltig erkrankte der Krankenpfleger; und die Krankheit war heftiges Fieber, das ihn stark und sengend durchdrang, die Feuchtigkeit seines Bauches beinah vollständig verbrauchte und auf Grund überhöhter Trockenheit zu einer Verstopfung führte; da die Ärztelein[26] die Bauchverstopfung gegenüber dem Fieber als <vermeintlich> harmloser vernachlässigt hatten, beeilten sie sich, sie durch Verwendung von unzähligen feuchten Umschlägen[27] und verschiedenen Klistieren[28] zu beseitigen, sowie indem sie von den Gegenmitteln die Auflösenden und Befreienden[29] oral verabreichten und Speisen gaben, die den Magen angriffen.

2 Nachdem sie mit Hilfe all dessen gekämpft hatten, gaben sie zuletzt auf, nicht nur weil sie ihm mit all dem Verabreichten nicht halfen, sondern vielmehr weil sie ihm schwerst schadeten. Da nämlich, was dem Bauch zugeleitet wurde, drinnen verblieb und das Ausscheiden verschmähte, schwebte der Mann in sehr hoher Gefahr: Allmählich schwoll er, sein Bauch wuchs regelrecht in die Höhe und er fand keine Erquickung bei die ihn betrübende und erstickende Notdurft.

3 Nun, zwei Wochen ertrug er die Gefahr, doch, nunmehr außer Stande, sie zu tragen[30], brach er eilends zu Kírros und Ioánnis auf, den Märtyrern, und überließ ihnen Leben und Sterben[31]. Er kam nicht durch die Kraft seiner Beine noch trugen ihn Tiere[32] noch saß er auf einer Bahre (ein Sessel ist dies, auf dem Pfleger die Kranken zu tragen pflegen). Denn weder konnte er sitzen bei derart aufgeschwollenen Eingeweiden und im Zustand eines befremdend anmutenden Spektakels, sondern auf einem Bette lag er, getragen von sechszehn sich abwechselnden Personen.

4 Als er kam, erbarmten sich seiner die Märtyrer in ihrem menschenliebenden Eifer und suchten ihn in derselben Nacht heim; sie boten ihm eine getrocknete Feige, die zu essen sie ihn anwiesen, da sie ihn vor der Krankheit, ja vielmehr vor dem Tode retten könne. Dieser erwachte (denn <bloß> ein Traum war die Erscheinung) und vermeinte, die Feige zu halten; weil er sie nicht fand, war er betrübt, <meinte,> aus dem Leben verdrängt worden zu sein. Dennoch rief er seine Ehefrau zu sich, berichtete ihr von der Schau und ordnete ihr an, eine trockene Feige zu bringen.

5 Diese hörte die Worte und, sein Bett scharfsichtig anschauend, erkannte sie eine darin liegende Feige; auf einmal griff sie nach ihr und zeigte sie dem Ehemann, während er noch redete und ihr von der Schau berichtete. Dieser empfing die Feige, teilte mit, dass sie die ihm im Schlafe übergebene ist, und erlangte auf einmal die alte Freude zurück; als er nämlich die Feige aß, die ihm die Märtyrer zu seiner Heilung[33] gegeben hatten, und fand sie[34].

6 Denn während er sie noch durchkaute und aß, endeten die Verstopfungssymptome; nachdem das, was seinen Bauch gefesselt hielt, aufgelöst war, trat er eilendst zum Abortbereich ab; als er zu ihm vordrang und den Stoff aussonderte, den er durch die Verstopfung seiner Eingeweide angehortet hatte, aus, erlangte er ungemindert jene Schlankheit zurück, die er vor der Verstopfung besaß; der vollkommenen Heilung teilhaftig, wurde er zum dankbaren Bekunder des Gunstbezeugung der Heiligen.

7 Er hob also das Bett auf die Schultern, auf dem getragen er angekommen war, und lief nach Alexandria, dem in dem Teich des Schafhauses danieder liegenden Kranken nacheifernd, welchen Christus nach achtunddreißig Jahren heilte und darauf hin sein Bett zu heben befahl[35]; allen bekundete er lauthals die unaussprechliche Macht der Heiligen und die in ihn in überrationaler Weise übertragene heilende Wirkung.

 

VI Über Jedéos, den Fährgeldeintreiber[36], der die Fistel[37] hatte

1 Aus jenem Anblick heraus lockt uns der Fährgeldeintreiber dazu, ihm zuzuschauen, welcher Jedéos hieß und dessen Leiden die Fistel war; in der Schamgegend betroffen, war er unsagbar überwältigt, da er unentwegt durch sie gegeißelt wurde und wie eine Quelle Flüssigkeiten absonderte[38], die sich aus dem gesamten Körper darin ansammelten. So hatte hatte Jedéos, im Verlangen, sich dieser Geißel auf jeden Fall zu entledigen, die Türschwellen der Ärzte abgetreten[39]; dabei verehrte er jene <Ärzte> abgöttisch und trat des Öfteren an jene heran, von denen erzählt wurde, dass sie besser waren als die Masse.

2 Da er, obwohl er alles unternommen hatte, seine Gesundheit nicht erlangte, und, obwohl er alles hergegeben hatte, von der Fistel nicht befreit wurde, machte er sich auf den Weg zum Heiligtum der Heiligen, ohne Arzt, um sich ihm zur Heilung anzuvertrauen, und ohne Geld, um es zum Geschenk zu verwenden, sondern weil er sie für Ärzte hielt, die der Belohnung nicht bedürfen und den Mittellosen Nahrung geben. Als ihn die Märtyrer ihres gütigen Besuchs würdigten, vernahm er mit Hilfe einer Schau das Heilmittel gegen die Fistel.

3 Dies war eine Zusammensetzung aus Sesam und Honig, die durch Reiben mit Zwieback[40] vermischt[41] wurde und aus beiden ein Pflaster[42] ergab; ihm wurde angeordnet, diese <Zusammensetzung> aufzutragen[43], sowohl um die Fistel mit der Wurzel zu entfernen als auch um die Wunde auszufüllen[44].

4 Er schüttelte den Schlaf ab, führte schnell durch, was ihm gesagt worden war, und <bereits> während der Durchführung pflückte er die <Früchte der> Heilung ab. Kaum hatte er das mächtige Hilfsmittel aufgelegt, so sprang die Fistel weg, weil sie die Anordnung der Heiligen erkannte, und die Vertiefung der Fistel begann sich zu füllen, als sie die Botschaft der Märtyrer erfuhr.

 

VII Über Mináss, den Riemenbeinigen[45]

1 Nachdem wir nun die tiefe Kenntnis dieser gottinspirierten Ärzte bewundert und die ihnen von Gott gewährte Macht gepriesen haben, wollen wir zu Mináss, dem Riemenbeinigen, übergehen und ihn zum Stoff unseres Lobliedes an die Heiligen machen. Schnellfüßig war Mináss,

„wie ein Reh auf dem Felde“[46],

laut dem gottinspirierten Spruch, in Nachahmung jenes Asael, der in der Schrift wegen der Schnelle seiner Beine bewundert wird und überaus schnelle Wege gegangen war.

2 Nachdem sich ihm aber lange die Krankheit zugesellt hatte, verkam er vom Schnellbeinigen zum Riemenbeinigen; und aus der langen Krankheit genas er gerade noch, doch von deren Frucht befreite er sich nicht, sondern blieb regungslos auf das Bett <gefesselt>; von dem Leiden erlöst, kam Mináss, nachdem die Ärzte zwar die lange Krankheit mannhaft angegangen hatten, jedoch angesichts des durch die Krankheit geborenen Gebrechens aufgegeben hatten, ans Mahnmal der Gunst der Heiligen[47].

3 Mit dem Glauben an die Errettung als Wegzehrung, von fremden Beinen getragen, erreichte er deren Heiligtumsbereich; als er in ihm angekommen war und den Märtyrern Heilgebete entgegengebracht hatte, wurde ihm angeordnet, die Beine mit dem Öl einzusalben, das ihr Grab mit nächtlichem Lichte beleuchtet; und während Mináss dies vertrauungvoll tat, schüttelte er die Trägheit der Beine ab und erlangte dazu die alte Schnelligkeit. Nachdem er dann den Heiligen einen Gesang der Dankbarkeit gesungen hatte, durchlief er mit seinen ureigenen Beinen den Weg nach Alexandria.

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[1] Indirekte Steuer auf käufliche Güter, (s. octava bzw. octavarium bei Du Cange, latinitatis).

[2] Eulogius war alexandrinischer Patriarch 580/581- 607 (s. Adolf Jülicher, Die Liste der alexandrinischen Patriarchen im 6. u. 7. Jh, in: Festgabe für Karl Müller, Tübingen 1922, S. 19f.). Damit besitzen wir einen terminus post quem für die Abfassung des Werks; da die Nicht-Erwähnung der Eroberung Jerusalems im Jahre 614, wie Marcos zu Recht (Marcos,Thaumata, S.2) anmerkt, einen terminus ante quem darstellt, dürften wir mit einiger Wahrscheinlichkeit die Zeitspanne zwischen 607 und 614 als Zeit der Entstehung betrachten.

[3] Bereits zu Beginn sieht sich der Leser mit der wohl tiefsten Verwirrung in der handschriftlicher Überlieferung konfrontiert. Als erste weist Hs. F mit ὁ πατὴρ statt πατὴρ (C) auf eine Korruptele hin; die Anwesenheit von πατὴρ unter Auslassung von ὤν (was Marcos suggeriert) wäre denkbar, doch der bestimmte Artikel in F erregt den Verdacht der Einbeziehung einer Randnotiz ((ὁ) πατὴρ) in den Text (s. auch Duffy, Observations, S.78). Duffys Annahme erscheint mir umso überzeugender (a) da sonst der selbstsüchtige, ja in Glaubensfragen nachlässige Amónnios hier als der Vater eines bedeutsamen Patriarchen, des Evlogios (579 – 607) erscheinen müsste, ein eher unwahrscheinliches Wagnis, selbst wenn S. darum ginge, einen hervorstechenden Bekehrungserfolg zu bekunden; (b) weil die Annahme des folgenden ὁ υἱὸς als mit (ὁ) πατὴρ korresponierender Randnotiz (was auch die Überlieferung durch F hier nahelegt) eine überzeugende Lösung für die gesamte Passage bietet (s. Duffy, l.c.); nicht zuletzt zwingt uns das ungewöhnliche Fehlen eines Finalverbs im parenthetischen Satz die abschließende Parenthese nach καθέστηκεν und den parathetischen Partizipien zu verlegen: Ὁ μὲν γὰρ χρόνους οὐκ ὁλίγους τὴν Ἀλεξανδρέων ἐκκλησίαν διῴκησεν, Εὐλογίου τοῦ πάνυ τὸν θρόνον ἰθύνοντος· ὁ δὲ τὴν τῆς ὀκτάβης ἀρχὴν (τέλος τοῦτο κατ’ ὀγδοάδα καθέστηκεν, ἀδίκως μὲν συναγόμενον, εὐσεβῶς δὲ διοικούμενον) πρὸ τέλους διήνυσεν. Zuletzt bleibt noch zu konstatieren, dass das Verwaltungsamt des Vaters innerhalb der alexandrinischen Kirchengemeinde kein religiöses war. Πρὸ τέλους kann ich hier nur temporal auffassen (dagegen Duffy, l.c.).

[4] Es handelt sich um Drüsenödeme.

[5]Diese Schema der rhetorischen Gegenüberstellung befremdet den heutigen Leser, wird dennoch durch den Beginn der Par. 7 und 8 verständlicher.

[6] Römer 12, 3.

[7] Gen. 3, 19.

[8] Ps. 103, 29.

[9] κηρωτῆς ἔμπλαστρος; vgl. lat. ceratum o. cerotum, ngr. τσιρότο. Sensu stricto bezeichnet κηρωτὴ eine Zusammensetzung, deren zentrale Substanz Wachs ist. Gemeint ist immer entweder eine Salbe oder ein Pflaster. Ἔμπλαστρος: quasi Synonym von: κατάπλασμα (= Pflaster).

[10] Ἀσκληπιάδαι; Ursprünglich ein Patronym, bezeichnet es sehr oft die Ärzte selbst; die Variatio ist im Grunde eine Periphrase, analog zum homerischen υἷες Ἀχαιῶν über die Achaier selbst, das ursprünglich die "Jugend" der Achaier impliziert haben mag.

[11] S. Appendix, 4.

[12] Erwähnung findet hier die Gruppe der pilgernden Kranken, die das Heiligtum zu jenem Zeitpunkt beherbergte; s. Marcos, Thaumata, S.33-56.

[13] Im gesamten Werk werden Augenleiden besonders häufig erwähnt. Das ist nicht nur dem kulturübergreifend ausnehmenden Wert der Augengesundheit und, folglich, ihrer hervorragenden Eignung für das vorliegende Material zuzuschreiben; ebenso entscheidend ist die besondere symbolische Besetzung der Erblindung mit Verblendung: Von Augenerkrankungen bzw. Blindheit handeln 12 Berichte: 2, 9, 24, 28, 31, 37, 38, 46, 47, 65, 69 und 70; ursächlich für die Erkrankung ist eine Verblendung in Form eines schweren ethischen Bruches in 5: B. 9 (Verkennung und Verulkung der Heiligen), 28 (Astrologie), 31 (Verulkung der heiligen Kommunion), 37 u. 38 (Häresie); im B. 65 wird dämonische Einwirkung angenommen. Leukome finden in den Berichten 2, 37, 38, und 47 Erwähnung.

   Nicht zuletzt tritt ein drittes, besonderes Moment als nicht geringerer Faktor dieser Anhäufung hinzu: Die Rede ist im vorliegenden B. über das/die leucoma(tosis) corneae o. albugo, i.e. die „weiße Narbentrübung der Hornhaut des Auges nach tiefgreifenden Hornhauterkrankungen“ (Brockhaus). S. Appendix, 1.

[14] S.a. B.13; die seitlich des Heiligtums befindliche πηγὴ darf nicht mit der Badanlage (λουτρὸν) verwechselt werden, die im Übrigen ihrer Funktion und Wirkung nach mit heutigen Heilbäderanlagen vergleichbar war; s. Marcos, S.43.

[15] σὺν τῇ ὑγρότητι: Adverbialbestimmung zu: ἀποβαλών.

[16] Die Irrelevanz der physischen Erscheinung bei der ausschließlichen Betonung der Werke bestätigt die Begriffswandlung von καλός; der Name zeugt hier nicht von physischer Schönheit; es ist es sicherlich, wie im Neugriechischen, rein ethischen Inhalts.

[17] κανδήλα; Nbf.: κανδήλη, κανδέλα (vgl. lat. candela); bezeichnet sowohl die Kerze als auch eine hängende Öllampe; es handelt sich hier um die Öllampe, die das Grab der Heiligen erhellte.

[18] Marcos (Thaumata, S.137-138) sieht in der Heilung durch Öl ein Relikt des chthonischen Kultes. Zieht man jedoch die Typologie byzantinisch-neugriechischer Wundererzählungen heran, so beobachtet man, dass alles, was sich in physischem Kontakt mit dem Grab eines/-er Heiligen befindet, heilende Wirkung besitzt. Ein Blick in eine beliebige der unzähligen in Griechenland zirkulierenden Heften über das Leben und die Wundertätigkeit von Heiligen ist bezeichnend; z.B. (hier auszugsw.) aus: Ἀρχιμανδρίτου Χ. Βασιλοπούλου, Ὁ Ὅσιος Λουκᾶς, Athen 21988, jeweils Seiten 69,77,80): (a) Da trinkt ein besessener Junge die Myrrhe aus dem Gefäß, das am Grabe des Heiligen Lukáss hängt, windet sich in Krämpfen und gesundet; (b) ein verletzter Bauer bekommt ebenfalls von dieser Myrrhe, trägt sie auf und wird geheilt; (c) desgleichen findet ein an Hydrops leidender Kleriker Zuflucht bei demselben Heiligen: „[...] Er vergeudete viel Geld für Ärzte und fand keine Heilung. [...] Er ließ also die Ärzte und die Heilmittel und eilte zu dem Segen ganz Griechenlands, zur unentgeltlichen und wahren Heilung, <also> zu dem Wunder wirkenden Grabe des Heiligen. Als ihn der Mönch Pangráttios am Grabe ausharren sah, bemitleidete er ihn und erbarmte sich seiner, doch vielmehr unternahm er den Versuch, ihn zu heilen: Dazu nahm er einen Schwamm mit Wasser; mit ihm fuhr er übers Grab des Heiligen und benetzte dann damit den Leidenden vom Kopf bis zu den Füßen. Und – welch ein Wunder! Er wischte die Krankheit fort, als sei die Krankheit Staub gewesen, und dieser wurde vollkommen gesund.“ In dieser zeitgenössichen Ausgabe, die für die breite Gläubigenmasse bestimmt ist und ältere (vermutlich schriftliche bzw. mündliche) Quellen wiedergibt, erfolgt etwa ein Drittel der Wunder durch Materie, die in engem physischen Kontakt zum Grabe steht; ähnlich verhält es sich bei den meisten. Auch heute versuchen Pilger in Griechenland, die Glasscheibe zu überwinden, die das λείψανον des/-r Heiligen von ihnen trennt, um eine Substanz wie Myrrhe oder auch nur das Gewand anzutasten.

[19] W. 4 gibt eine vollkommen imaginäre Pathologievorstellung wieder; ein weiterer Hinweis darauf, dass S. keine medizinische Ausbildung genossen hatte (vgl. Marcos,Thaumata, S.107-108).

[20] Bekanntlich wurde bei der Gründung von Alexandria gemäß den Plänen des Deinokrates die vorgelagerte Insel Pharos (= ἡ Φάρος) mittels eines Dammes (Heptastadion) mit der Küste verbunden, so dass zwei Häfen entstanden; auf ihr wurde zw. 299 u. 279 v.Chr. der zu den Weltwundern zählende Leuchtturm errichtet; dies bedeutete nichts Geringeres als die Gründung einer selbständigen architektonischen Gattung, deren Bezeichnung aus dem Namen der Insel resultierte (N Pauly v. Leuchtturm). Seitdem bezeichnet: ὁ φάρος den Leuchtturm, wobei sich das Genus offenbar in Anlehnung an die primäre Bezeichnung des Baus (ὁ πύργος) herauskristallisiert hat (s. Strabo, Geographica, vol. III, 17,1, 6, Z.21-25 (S. 1.104)).

[21] Maiumā, d.h. „Hafenort“. Ich konnte 4 Ortschaften unter dieser Bezeichnung ausfindig machen: (a) Die Hafenstadt von Gaza, 20 Stadien von Gaza entfernt, heute: Maimās, El-Mine; (b) die Hafenstadt von Askalon, welches (s. N Pauly  Askalon) sich 16 km nördl. von Gaza befand; (c) den Ort Betomarsea auf der Madeba-Karte; d) auch die arabische Ortsbez.: Ḫirbet Miyamās, geht wahrscheinlich auf M. zurück. Im Übrigen liegt es nahe, dass die Bez. „Hafenort“ für etliche Ortschaften gestanden hat. S. zwingt uns hier ein Maiumā, i.e. zumindest eine (ehemalige) Andockstelle an der Insel anzunehmen, worauf kein Hinweis besteht; im Gegenteil: Strabon bezeugt, dass sie ἀλίμενος (l.c. Z.25) war. Die Quellenlage rückt also die Herkunftsangabe des Issíddoros in die Nähe des Fiktiven, es sei denn, es hat sich um eine kleine, unbedeutende Andockstelle für Boote gehandelt (s. auch vorige Fußn.).

[22] ἀμειβόμενος ergibt einen glaubwürdigeren Sinn, wenn σωτὴρ als sein Subjekt angenommen, d.h. die Klammer der Parenthese hinter das participium coniunctum gerückt wird. Eine Vorgeschichte der Liebe der Märtyrer für Issíddoros kann nicht vorausgesetzt oder unterstellt werden.

[23] Die Erscheinung findet ausnahmsweise und expressis verbis im Wachen statt, wie auch in W. 52. Marcos (Thaumata, S.78) folgt Herrlich (S. Herrlich, Antike Wunderkuren, Berlin 1911, S.25) in der Auffassung, dass die bipolare Erscheinungsbeschreibung ὄναρ – ὕπαρ sich zuallererst der tradierten Inkubationsterminologie aus der Periode des Asklepios verpflichtet fühle; außerdem dass sie zu nicht allzu regem Nachdenken führen solle, dass die Thaumata keine stringende Scheidung der zwei Zustände anstrebten und dass in deren kulturgeschichtlichem Kontext keine ideelle Abgrenzung zwischen den Zuständen des Wachens und des Träumens existiert habe. Ohne Zweifel bedarf die Sache einer umfangreichen kulturgeschichtlichen Analyse, eher hier eine Aussage vorbehaltslos artikuliert werden kann. Wie mir scheint, verlief in dem genannten kulturellen Kontext die Scheidung eher zwischen Halluzinativem und Realem als zwischen Wachen und Träumen. Die Behauptung Marcos´, dass die Erscheinung der Heiligen ausnahmsweise in diesen zwei Wundern im Endeffekt quasi zufällig ist, leuchtet nicht ein, sondern ist offenbar Teil der Inszenierung. So erfolgt sie in diesem Wunder ὕπαρ, weil die Heiligen selbst etwas (physisch) aushändigen müssen; in W.52 würden Schlaf und Traumerscheinung in der Badeanlage und zwar mitten in ihrem regem Betrieb befremdend und unnatürlich erscheinen.

[24] Nach: τοῦ θείου muss: νεὼ angenommen werden.

[25] Es besteht keinerlei Information über dieses Toponym.

[26] Wenn S. Ἀσκληπιαδῶν παῖδες oder παῖδες ἰατρῶν schreibt, impliziert die rhetorische Floskel die Diskreditierung der etablierten Medizin (s. auch Fußn. 10 sowie App.,4).

[27] Ähnlich

[28] C überliefert an dieser Stelle: ἐνήγμασι, was emendiert werden muss; ἐναίμασι in F (d.h. blutstillende <Mittel>) wäre akzeptabel; denn S. zeiht die Ärzte der Ignoranz und will womöglich behaupten, dass sie deshalb von einer inneren Blutung ausgegangen seien; Mai emendiert auf: ἀλείμμασι (Salben), offenbar in Anlehnung an: unctiones in der lateinischen Übersetzung. Höchstwahrscheinlich bietet Duffy (Observations, S.79) die ideale Lösung, indem er nur einen Itazismusfehler hier erkennt: ἐναίμασι = ἐνέμασι (Klistiere). Hippokrates empfiehlt im Übrigen das Klistieren gegen Fieber (Lexikon → Verstopfung, mit entsprechenden Verweisen); ebenso Galen gegen Fäulnisfieber (Galen, vol. X, 805). Dass S. die Klistieranwendungen nicht als (zumindest gleichzeitige) Behandlung des Fiebers sehen will, tut der Emendation wenig Abbruch. Denn es geht ihm hier nicht um Wissenschaftlichkeit; vielmehr unterstellt er kurzerhand einen Kunstfehler, um die angebliche Ignoranz der Ärzte noch einmal zu bekunden (s. App., 4). ). Klistieren wurde gegen mehrere Krankheiten praktiziert, bei denen die Heilung als Ergebnis einer Reinigung gewärtigt wurde. „Verschiedene“ (διαφόροις), weil in der Antike dem Klistier verschiedene Substanzen beigemengt wurden. Die antike Medizin unterscheidet nicht zwischen Klistier und Einlauf im heutigen Sinne. Aus Schriften des späten galenistischen Medizinertums wissen wir, dass die Behandlung der Verstopfung als sehr langwierig galt und neben Einläufen laxierende Speisen und Mittel sowie Umschläge umfasste (Müller, Humoralmedizin, S.284)

[29] Medizinischer Terminus; bezeichnet jede zum Lösen, Auflösen, Befreien geeignete Anwendung; κοιλίας λυτικάς: die Leibesöffnung bewirkend (Pape →).

[30] Verdichtung der Syntax: vermeint ist nicht die Gefahr, sondern: die Last (zu tragen).

[31] Sc.: „die Entscheidung über Leben oder Sterben“

[32] In jener Zeit findet offenbar in der Bedeutung von: ἄλογον der Übergang zu: Pferd statt, wie uns die Verwendung in W. 29 [10] verrät.

[33] Implizit: zu seinem Heil

[34] I.e.: die Heilung

[35] Io, 5,2-9

[36] ναυλομάχος: Das Substantiv begegnet wohl nur bei S.; Gräzität erwähnt nur noch als varia lectio die einmalig vorkommende Verbform ναυλομαχέω bei Ioannes Skylitzes (Synopsis Historiarum, ed. Ioannes Thurn, Berlin 1973, S.218, Z.4); dort vermerkt Thurn in dem kritischen Apparat das durch den Codex B überlieferte ναυλομαχοῦντα, adoptiert jedoch für seinen Text die Form ναυλοχοῦντα und gibt in seiner Übersetzung (Byzanz wieder ein Weltreich [...] Nach dem Geschichtswerk des Johannes Skylitzes, tr. H. Thurn [Byzantinische Geschichtsschreiber 15], Graz 1983) dessen Bedeutung mit: „vor Anker liegen“ wieder; bezüglich des Substantivs, schließlich, verweist Gräzität auf Lampe ® ναυλομάχος; dieser fasst es unter Vorbehalt (s.v.l.) als Berufs-Spitznamen für ναυλοδόχος auf, i.e. Empfänger von Fähr- bzw. Frachtgeld.

[37] Alt- u. mgr.: σύριγξ, lat.: fistula, d.: Fistel; in den medizinischen Texten röhrenförmiges, tiefes, enges und verhärtetes Geschwür in den Weichteilen, das bis ins Körperinnere reichen kann. Hippokrates erörtert in De fistulis ausschließlich die rektalen Fisteln und deren Behandlung. Ausführlich sind diese Krankheit und ihre Therapie durch Celsus dargestellt worden (Lexikon).

[38] Bei dem intransitiven ἀπορρέων handelt es sich wahrscheinlich um eine Korruptele; anzunehmen ist stattdessen: ἀπορραίνων (s. Duffy, Observations, S.79).

[39] Duffy schlägt für diese Stelle (Observations, S.79-80) vor, die Reihenfolge von F zu adoptieren (παντοίως γλιχόμενος statt: γλιχόμενος παντοίως), um der clausula Genüge zu tun (vgl. Einl., 1.3.2.). Der Vorschlag ist plausibel.

[40] ἄρτος παξαμήτης (vgl. ngr.: παξιμάδι):  Zweimal gebackene, sehr trockene Brotzubereitung. Du Cange (Graecitatis ® παξαμὰς ff.) führt an die 10 Parallelformen auf. Die Suda vermerkt unter dem Personennamen Πάξαμος: λόγιος. Ὀψαρτυτικὰ κατὰ στοιχεῖον und bietet damit einen Hinweis auf die Etymologie. In den Apophthegmata Patrum wird es am meisten genannt und erscheint dort als das Grundnahrungsmittel des frühen ägyptischen Mönchtums. In medizinischem Zusammenhang konnte ich es allerdings nur zweimal (bei Pseudo-Galen) ermitteln: Galenus, vol. XIV, S.537, Z.1; S.554, Z.13. Hier wird es der Einfachheit wegen mit „Zwieback“ wiedergegeben.

[41] Honig wurde auch medizinisch angewandt; es war wichtigstes Geschmackskorrigens bei unangenehm schmeckenden Rezepten (s. z.B. W.32[12]) und wirkte austrocknend (Lexikon). Zu Recht erkennt Marcos keine chthonische Symbolik in der therapeutischen Anwendung des Honigs und kritisiert in diesem Punkt Herzog (Thaumata, S.137). Meine Untersuchung ergab, dass Hippokrates in De fistulis zur Behandlung der Fistel Pflaster u.a. mit Honig verschreibt (s. Hippocratis, Littré, vol. VI (De fistulis: S.448-460), 4, Z.19 (S.452); 9, Z.24 (S.458)). Marcos (Thaumata, S.144) ist der Hinweis zu verdanken, dass Brot in verschiedenen Konsistenzen in den Rezepten des Corpus Hippocraticum sowie in jenen der ägyptischen Medizin im Allgemeinen oft genannt wird. Auch Sesam scheint als besonders geeignete Pflastersalbensubstanz gegolten zu haben, wie Paulus von Ägina, ein Mediziner und Zeitgenosse des S., bezeugt (s. Paulus Aegineta, ed. J.L. Heiberg [Corpus medicorum Graecorum 9.2.], Leipzig 1924, VII, 3, 18, Z.45). Die hier genannten Heilsubstanzen reiht Marcos quasi in eine Gruppe der „Hauspräparate aus Alltagserfahrung“ ein (s.o.). Die vermutlich verbreitete Überzeugung von der austrocknenden Wirkung des Honigs muss S. besessen haben. Das gesamte Substanzenregime ist in diesem Wunder von nicht magischem Kontext.

[42] Entsprechend seiner Wirkung konnte ein Pflaster (a) kühlend, (b) erweichend/wärmend oder (c) (wie hier) trocknend sein (Lexikon); s. auch Fußn. 9.                 

[43] Hier legt Duffy (Observations, S.80) nahe, sich um der clausula willen an Stelle von: χρῆσαι (F u. L) für die von C tradierte Variante: χρίσασθαι zu entscheiden; so würde der von ihm genannte „vier-zwei-Rhythmus“ hergestellt (s. Observations, S.75-76). Der Beibehaltung von χρῆσαι stünde dessen Akkusativobjekt nicht im Wege (bei S. üblich, s. z.B. W.58, [4], Z.5: και τοῦτον πάλιν χρῆσθαι); dann böte sich der deutlich häufigere „zwei-zwei-Rhythmus“ als clausula-Abschluss an, allerdings nur unter Emendierung des Plusquamperfekts προσετέτακτο auf das Perfekt (προστέτακται). Dagegen spricht wiederum die häufige Verwendung des Plusquamperfekts statt des Aorists gerade um der clausula willen (s. Einl. 1.3.2). Duffys plausiblere Lösung muss daher adoptiert werden.

[44] Gemeint ist die Öffnung, die der Abzess nach der Heilung hinterlassen würde.

[45] ἰμαντόπους (Titel) und λουρόπους ([1] Z.3): „der/die mit den riemenartigen Beinen“. Da die (seltenen) Komposita nirgends im medizinischen Schrifttum begegnen, jedoch auch keine ἅπαξ λεγόμενα sind (wie Marcos in Thaumata, S.109, von λουρόπους  meint),  lohnt eine kurze Untersuchung des Kontextes, in dem sie begegnen. Ioannes Tzetzes überliefert, dass Apollodoros (der Grammatiker) die Existenz durch antike Autoren genannter teratomorpher Völker zurückweist: Ἡμίκυνες, Μακρόκρανοι καὶ οἱ Πυγμαῖοι, πλάσμα. / Ὥσπερ οἱ Στεγανόποδες καὶ οἱ Στερνόφθαλμοί δε, / αὐτοί τε Κυνοκέφαλοι μετὰ τῶν Μονομμάτων / μύθων τὲ Ἱμαντόποδες καὶ Ἱμαντοσκελεῖς δε, / Μονοτοκῆται, Ἄρρινες καὶ Ἄστομοι ὁμοίως (Ioannis Tzetzae historiae, ed. P.L.M. Leone, Neapel 1968, Chil.7, 144, V.756-759). In der Rezension β der anonymen Historia Alexandri Magni bezeichnet ἱμαντόποδες ein wildes, teratomorphes Volk: εἴδομεν δὲ κυνοκεφάλους ἀνθρώπους, οἵτινες ὀφθαλμοὺς εἶχον ἐν τῷ στήθει καὶ τὸ στόμα, ἑτέρους δὲ ἄνδρας ἑξαχείρους καὶ ταυροπροσώπους καὶ τρωγλοδύτας καὶ ἱμαντόποδας, ἀγρίους ἀνθρώπους, ἄλλους δὲ δασεῖς ὡς αἶγας καὶ λεοντοπροσώπους (Der griechische Alexanderroman. Rezension β, ed. L. Bergson, Stockholm 1965, 3, 28, Z.4-7 (S.175)) sowie teratomorphe Wesen gemischter Provenienz (Historia Alexandri Magni, ed. W. Kroll, Berlin 1926 [1958], III, 17, 20, Z.4 (S.109)). Nur bei Dionysius Periegeta (ed. A. Garzya, Dionysii ixeuticon [...], Leipzig 1963, II, 10, Z.8-11 (S.31)) steht die Bezeichnung für eine (nicht teratomorphe) Vogelart mit dünnen Beinen. Desgleichen bezeichnet λωρόπους (Der griechische Alexanderroman. Rezension γ. B. III, ed. F. Parthe [Beiträge zur klassischen Philologie 33], Meisenheim am Glan 1969, 35, Z.32 (S.460)) ein Volk im Rahmen einer fast seitenlangen Aufzählung von teils bekannten, teils legendären bzw. teratomorphen Völkern; (dort überliefern zwei von verschiedenen Hyparchetypi stammende Handschriften die neugriechischen Formen: Λωροπόδας und Λωροπόδους). Es lässt sich nun konstatieren, dass S. die Krankheit nicht nennen kann (oder will) und das Leiden in Form eines Schrecknisses vermittelt; womöglich ist hier die Stimme des einfachen Gläubigen noch hörbar, die mit der Legende gleich anfängt: „Es kam einmal jemand mit Beinen, krumm und dünn wie Riemen“. Davon, seinen Überbringer nach der Krankheit zu fragen, ist S. weit entfernt. Die Erklärung des Leidens in W.43, in dem zum zweiten Mal diese Leidensbeschreibung vorkommt, heißt, dass die Beine die Merkmale von Riemen angenommen hätten, ohne die Form näher zu beschreiben; diese Dysmorphie frei von Metaphern zu verwenden, genügt S. hier nicht; vielmehr bettet er die Krankheit in einen Kontext antiker hochliterarischer und dem lector doctus bekannter Erzählungen, i.e. in einen Kontext der Teratomorphie ein. „Riemenbeinig“ soll in unserer Übertragung: „dünn- und krummbeinig“ bedeuten.

[46] 2 Reg 2,18; Asael war einer der drei Söhne von Zeruja, den Gefolgsleuten Davids; er wird hier von Abner getötet.

[47] „kam Mináss ans Grabmal der Verehrung an die Heiligen“; der Satz ist doppeldeutig und heißt zugleich: „kam Mináss die Gnade der Heiligen in den Sinn“.