Antikes Christentum an der Berliner Humboldt-Universität
Antike ist nicht einfach vergangen. Viel eher kann man von vergangenen Gegenwärtigkeiten (Eduard Schwartz) sprechen: Wir leben beispielsweise in einer multireligiösen Gegenwart, die an vielen Punkten der römischen Antike vergleichbar ist: Das Christentum steht im Kontext anderer Religionen und nichtreligiöser Weltdeutungs- sowie Lebensoptionen, die um Finanzen sowie gesellschaftlichen Einfluss konkurrieren. Mancherlei weitere Phänomene der Gegenwart wie die Zunahme intensiver Religiosität außerhalb der klassischen religiösen Institutionen, Krisensymptome einer Transformation der klassischen Wirtschaftsordnung wie forcierte Geldentwertung oder das Nachlassen des Engagements für öffentliche Belange und der Rückzug auf individuelle Lebensziele können ungeachtet aller Unterschiede mit bestimmten Entwicklungen der hohen wie späten römischen Kaiserzeit verglichen werden. Deswegen lohnt es sich, diese Vergangenheit gründlich zu studieren, um aus ihrer Kenntnis Orientierung für die Gegenwart zu gewinnen. - Am Berliner Lehrstuhl für Antikes Christentum werden daher seit langem die ersten sieben Jahrhunderte dieser Religion mit Blick auf die Gegenwart, aber auch mit Rücksicht auf die Autonomie der Vergangenheit gegenüber aller Verzweckung für gegenwärtige Belange studiert. Er ist Teil der Theologischen Fakultät der Humboldt-Universität zu Berlin und beteiligt sich daher an deren akademischer Lehre wie an den gemeinsamen (Forschungs-)Projekten dieser Institution, arbeitet aber mit vielen anderen Partnern in und außerhalb der Universität zusammen.
Die verschiedenen Mitarbeitenden am Lehrstuhl bieten neben den regulären Lehrveranstaltungen des Semesters immer wieder spezifische Formate wie Exkursionen, Tagungen und Vorträge an. Außerdem werden neben streng fachwissenschaftlichen Veröffentlichungen immer wieder auch Beiträge für die breitere Öffentlichkeit vorgelegt, neben gedruckten Publikationen auch in anderen Medien (Rundfunk, Internet und Fernsehen).
Allgemeine Informationen
Den Berliner Lehrstuhl für Antikes Christentum, dessen spezifisches Fachgebiet mit traditioneller Terminologie auch "Alte Kirchengeschichte" oder "Patristik" benannt wird, beschäftigt sich mit allen Überlieferungen der Vergangenheit, also neben Texten auch mit archäologischen Überresten und nutzt die Fülle historiographischer Methoden zur Rekonstruktion der Vergangenheit, verwendet also neben den Ansätzen der neueren Ideengeschichte beispielsweise auch mentalitätsgeschichtliche Zugriffe, interessiert sich ebenso für Fragestellungen der Genderforschung wie für geschichtsphilosophische Debatten. Die Geschichte des antiken Christentums wird sowohl im theologischen Kontext als auch als Teil der Geschichtswissenschaften betrieben.
Die Gegenwart des Lehrstuhls (und vermutlich auch seine Zukunft) werden immer geprägt sein von den Menschen, die in der Vergangenheit an diesem Ort antikes Christentum erforscht und gelehrt haben. Bis heute setzen Maßstäbe: der erste eigenständige Vertreter des Faches, August Neander (1789-1850), der pointiert einen auf die Frömmigkeitsgeschichte konzentrierten Zugriff auf das antike Christentum gegen eine Verabsolutierung der Dogmen- und Theologiegeschichte stellte; Adolf von Harnack (1851-1930), der das antike Christentum zwar streng von der Predigt Jesu von Nazareth trennte, aber gleichzeitig seine Erforschung in quasi industriellen Formen durch die Berliner Kirchenväterausgabe inaugurierte und schließlich Hans Lietzmann (1875-1942), der die Schwerpunkte seines Vorgängers durch die Berücksichtigung der Archäologie und Liturgie ergänzte und seine Forschungen in einer schwungvollen literarischen Synthese zusammenfasste, der "Geschichte der Alten Kirche" (1932-1944; 6. Auflage 1999).
Publikationen
Am Lehrstuhl werden Reihen herausgegeben, die seit langem mit ihm verbunden sind: die von Harnack begründeten "Griechischen Christlichen Schriftsteller" und "Texte und Untersuchungen zur altchristlichen Literatur", die von Lietzmann inaugurierten "Arbeiten zur Kirchengeschichte", aber auch neuere Reihen wie die "Studien zu Antike und Christentum" oder die "Zeitschrift für Antikes Christentum". Daneben wird am Ort aber auch der entsprechende Fachbereich in der "Theologischen Literaturzeitung" und in den Lexika "Religion in Geschichte und Gegenwart" sowie der in Vorbereitung befindlichen "Brill Encyclopedia of Early Christianity" betreut. - Aktuelle Publikationen des Lehrstuhls betreffen die antiken christlichen Apokryphen, speziellere Themen des Fachgebietes und dokumentieren von ihm veranstaltete Tagungen. Nach Autorinnen und Autoren differenzierte Gesamtverzeichnisse finden sich auf den Seiten der Mitarbeitenden.
Ein zeitlich wie inhaltlich sehr umfangreiches Gebiet wie das des Antiken Christentums kann nur gemeinsam mit vielen Partnern in Berlin, im Land und an vielen anderen Orten erforscht werden. - Traditionell enge Verbindungen bestehen zu Kolleginnen und Kollegen sowie Institutionen in Bologna, Jerusalem, Oslo und Oxford. Daneben engagiert sich der Lehrstuhl in diversen Verbundprojekten und übergreifenden Netzwerken, auch in Berlin.
Kontakt
Sitz des Lehrstuhls
Burgstraße 26, 10178 Berlin
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