Miracula Benedicti, Liber Tertius

XX. Kürzlich erfuhren wir, dass ein gewisses Mädchen, aus einem von alters her edlen Geschlecht geboren, mit Namen Adelaides, an den Unterschenkeln verkrüppelt war. Während ihr Vater und ihre Mutter sie an viele Heiligen-Orte brachten, konnten sie kein Heilmittel für sie von den Heiligen erlangen. Als sie sie ohne Hoffnung auf Rettung nach Hause zurückbrachten, verharrten sie in Trauer und wussten nicht, was sie mit ihr tun sollten. Denn obwohl sie sie nach Paris zum Grabmal des Heiligen Dionysius und nach Limoges zum Grab des Herrn Martial, die beide damals Wunder aufleuchten ließen, gebracht hatten, hatten sie überhaupt nichts ausgerichtet. Als ihre Mutter ruhte, kam eine himmlische Stimme zu ihr, die sagte: „Welche Torheit, sagte sie, hat euch denn dazu getrieben, so viele Ausgaben umsonst zu vergeuden, dass ihr die weit entfernten Heiligen-Stätten aufsucht, während euer hier in der Nähe [liegender] außer acht gelassen wird, nämlich der allerheiligste und dem Herrn wohlgefällige Benedikt, dessen allerehrwürdigste Gebeine für euer (wenn ihr dieses nur aus Glauben begehrt) und vieler Leute Wohlergehen durch göttliche Fügung aus der Provinz Italien in diese Region gebracht worden sind? Woher willst du sicher wissen, dass deine Tochter keinesfalls heilbar ist, solange sie nicht dorthin gebracht wurde.“ Als sie aufwacht, erzählt deshalb die Frau ihrem Mann, der mit ihr zusammenliegt, den Traum. Worauf jener [antwortet]: „Ich, sagt er, hatte dies schon selbst begriffen; habe aber Bedenken, ob jener Heilige, durch unsere Mißachtung erzürnt, den Herrn für sie anflehen möge.“ Darauf antwortet jene: „Sie soll hingebracht werden, sagt sie, zum Grabmal des Heiligen; und wenn er sie aber heilt, soll er sie selbst für immer als Dienerin behalten; wenn er es aber nicht will, wird sie zurückgebracht und behält mit der Lähmung auch die Freiheit.“ Sie selbst waren nämlich nicht nur Freie, sondern auch aus einem sehr berühmten Geschlecht und an Vermögen reich geworden. Als die Sonne aufgegangen war, nahmen sie also den Weg zum Kloster auf, welches nur 18 Meilen von ihrem Haus entfernt war, und brachten die gelähmte Tochter mit.

Es stand aber das berühmte Fest eben dieses Heiligsten Benedikt bevor, und an genau dem Festtag selbst brachten sie sie dem heiligen Vater Benedikt, damit er sie heile. Als sie aber am nächsten morgen aufstanden, weil sie zurückgehen wollten, fanden sie die Tochter gesund und an allen Gliedern kräftig wieder. Deswegen sprachen sie Gott und seinem allerseligsten Freund Benedikt unendliche Danksagungen aus und übergaben ihm eben diese ihre Tochter zum ewigen Dienst, welche bald darauf einen Mann heiratete und Söhne gebar; aus deren Nachkommenschaft einige nicht Unbrauchbare bis jetzt im Dienst der Brüder ausharren.

Übersetzung: Gundula Meinert